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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde
Autoren: Kelley Armstrong
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sein könnte? Oder warum er nicht schon längst aufgetaucht ist?«
    »Nein, aber …«
    »Ich will nicht mit dir streiten. Ich sage bloß …« Sie kroch zu einer Öffnung und spähte ins Freie. »Es ist wie letztes Jahr bei mir, als ich mit diesem Typ zusammen war. Er hat zu einer Clique bei mir an der Schule gehört. Den ›coolen Typen‹.« Sie markierte die Anführungszeichen mit den Fingern. »Und ja, klar, es hat mir schon gefallen, dass ich mit denen rumhängen konnte. Ich hab gedacht, jetzt wäre ich selbst auch eine von ihnen. Bloß war ich’s nicht. Sie waren nett zu mir, aber sie waren befreundet seit … na ja, der dritten Klasse oder so. Und dass ich einen Fuß drin hatte, hat nicht bedeutet, dass ich je eine von ihnen sein würde. Du hast deine Superkräfte. Das macht dich in den Augen von Simon und Derek zu was Besonderem. Aber …«, sie drehte sich zu mir um, »du kennst sie erst seit einer Woche. Wenn es wirklich ernst wird …«
    »Ist die oberste Priorität bei jedem von ihnen immer der andere. Das weiß ich schon. Und ich sage auch nicht, dass du da nicht recht hast, nur …«
    »Simon ist nett zu dir und alles, klar. Das sehe ich. Aber …«, sie nagte an der Unterlippe und sah dann langsam zu mir auf, »als du da im Haus nach Derek gesucht hast, hat sich Simon nicht deinetwegen Sorgen gemacht. Er hat dich nicht mal erwähnt. Es ging immer nur um Derek.«
    Natürlich hatte er sich Sorgen um Derek gemacht. Derek war sein Bruder. Und ich war einfach ein Mädchen, das er eine Woche zuvor zum ersten Mal getroffen hatte. Aber nichtsdestoweniger traf es mich ein bisschen, dass er mich
überhaupt
nicht erwähnt hatte.
    Ich hatte Rae eigentlich von dem Teil des Plans erzählen wollen, den sie nicht mitbekommen hatte. Nämlich dass dies hier unser fester Treffpunkt sein würde und dass wir regelmäßig hier nachsehen sollten. Aber jetzt würde sich das anhören, als versuchte ich zu beweisen, dass die beiden Jungs uns nicht einfach im Stich lassen wollten. Wie armselig konnte man werden?
    Ich glaubte immer noch, dass sie zurückkommen würden, wenn die Lage sich beruhigt hatte. Es hatte nichts mit der Frage zu tun, ob Simon mich mochte oder nicht. Sie würden zurückkommen, weil es einfach nur anständig war. Weil sie gesagt hatten, dass sie es tun würden. Auch wenn mich das jetzt vielleicht zu einem albernen Mädchen machte, das zu viele Filme gesehen hat, in denen der Held selbstverständlich zurückkommt und alle anderen rettet, ich glaubte dran.
    Was allerdings nicht bedeutete, dass ich wie die Freundin des Helden in einem Actionfilm hier herumsitzen und Däumchen drehen würde, während ich auf meine Rettung wartete. Ich war möglicherweise naiv, aber ich war nicht dumm. Wir hatten uns auf einen Treffpunkt geeinigt, es war also nicht nötig, noch hier zu bleiben.
    Ich kroch aus unserem Versteck, sah mich um und horchte. Ich winkte Rae zu mir.
    »Als Allererstes brauchen wir Geld«, sagte ich. »Ich habe noch das Geld von meinem Dad, aber vielleicht brauchen wir mehr. Es gibt einen Verfügungsrahmen, und an mehr als das kommen wir wahrscheinlich nicht ran, also muss ich schnell was tun, bevor sie mir das Konto sperren oder irgendwas mit der Bank arrangieren, dass sie sofort erfahren, wenn ich auf das Geld zugreife. Derek hat gesagt, der nächste Geldautomat ist …«
    »Was machst du da eigentlich?«, fragte Rae.
    »Wieso?«
    Sie griff nach meinem Arm und zeigte auf das Blut. »Du brauchst kein Bargeld, du brauchst einen Arzt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht in ein Krankenhaus gehen. Selbst wenn sie noch keine Fahndungsausschreibung haben, ich bin zu jung. Sie würden bei meiner Tante Lauren anrufen …«
    »Ich
rede
von deiner Tante Lauren. Sie ist Ärztin, oder?«
    »N-nein. Das geht nicht. Sie würde uns nur wieder hinbringen …«
    »Nachdem die auf uns geschossen haben? Ich weiß, dass du im Moment wütend auf sie bist, aber du hast mir erzählt, dass sie sich deinetwegen immer Sorgen macht, immer auf dich aufpasst, dich verteidigt. Wenn du bei ihr auf der Matte stehst und ihr erzählst, dass Davidoff und seine Kumpel auf dich
geschossen
haben – auch wenn’s bloß mit Betäubungspfeilen war –, glaubst du wirklich, sie schickt dich zurück?«
    »Das hängt davon ab, ob sie mir glaubt. Vor einer Woche noch, ja. Aber jetzt?« Ich schüttelte den Kopf. »Als sie mir gegenüber über Derek geredet hat, kam es mir vor, als wäre ich nicht mal mehr Chloe. Ich bin
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