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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde
Autoren: Kelley Armstrong
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Zwölf Jahre zuvor …
     
    Mommy hatte vergessen, die neue Babysitterin über den Keller aufzuklären.
    Chloe schwankte auf der obersten Stufe, die runden Händchen ausgestreckt, um beide Geländerstangen packen zu können. Ihre Arme zitterten so sehr, dass sie sich kaum halten konnte. Die Beine zitterten ebenfalls, so sehr, dass die Scooby-Doo-Köpfe auf ihren Hausschuhen nickten. Und ihr Atem kam in Stößen, als sei sie gerannt.
    »Chloe?« Emilys Stimme trieb gedämpft aus dem dunklen Keller herauf. »Deine Mom hat gesagt, die Cola ist im Kühlraum, aber ich finde sie nicht. Kannst du runterkommen und mir helfen?«
    Mommy hatte gesagt, sie hätte Emily das mit dem Keller erzählt. Da war Chloe sich sicher. Sie schloss die Augen und dachte angestrengt nach. Bevor Mommy und Daddy zu der Party gegangen waren, hatte sie im Fernsehzimmer gespielt. Mommy hatte gerufen, und Chloe war in den Vorraum hinausgerannt, wo Mommy sie auf die Arme genommen und gelacht hatte, als Chloes Puppe ihr dabei fast ein Auge ausstach.
    »Ah, du spielst mit Prinzessin, ich meine mit
Piratin
Jasmine. Hat sie Aladin schon vor dem bösen Flaschengeist gerettet?«
    Chloe schüttelte den Kopf und flüsterte dann: »Hast du Emily das mit dem Keller gesagt?«
    »Ja, und zwar ganz deutlich. Kein Keller für Miss Chloe. Die Tür da bleibt zu.« Als Daddy um die Ecke kam, sagte sie zu ihm: »Wir müssen das mit dem Umzug wirklich mal in die Wege leiten, Steve.«
    »In dem Moment, in dem du was sagst, rufe ich sofort den Makler an.« Daddy zerzauste Chloe das Haar: »Sei nett zu Emily, Schätzchen.«
    Und dann waren sie fort.
    »Chloe, ich weiß, dass du mich hörst!«, schrie Emily.
    Chloe nahm die Hände vom Geländer und presste sie auf die Ohren.
    »Chloe!«
    »Ich k-kann nicht in den Keller«, rief sie zurück. »Ich d-darf nicht!«
    »Na ja, im Moment habe ich hier das Sagen, und ich sage, du darfst. Du bist ein großes Mädchen.«
    Chloe zwang ihre Füße dazu, eine Stufe hinunterzusteigen. Hinten in der Kehle tat es weh, und alles sah verschwommen aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen.
    »Chloe Saunders, du hast noch fünf Sekunden, dann hole ich dich hier runter und schließe die Tür ab.«
    Chloe stürzte so schnell die Treppe hinunter, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte und ungeschickt auf dem Treppenabsatz landete. Dort lag sie, ihr Knöchel pochte, und Tränen brannten in ihren Augen, als sie in den Keller hinunterstarrte mit seinen Geräuschen und Gerüchen und Schatten. Und mit Mrs. Hobb.
    Es waren noch andere Leute da gewesen, bevor Mrs. Hobb sie verscheucht hatte. Wie die alte Mrs. Miller, die mit Chloe Verstecken gespielt und sie Mary genannt hatte. Und Mr. Drake, der merkwürdige Fragen stellte, zum Beispiel, ob schon jemand auf dem Mond lebte. Meistens konnte Chloe seine Fragen nicht beantworten, aber er lächelte trotzdem und sagte, sie sei ein nettes Mädchen.
    Früher war sie gern hier heruntergekommen und hatte mit den Leuten geredet. Sie durfte nur nicht hinter den Ofen sehen, wo ein Mann mit einem Gesicht, das ganz violett und aufgedunsen war, von der Decke hing. Er sagte nie etwas, aber allein ihn dort hängen zu sehen verursachte Chloe Bauchschmerzen.
    »Chloe?«, rief Emilys gedämpfte Stimme. »Kommst du jetzt endlich?«
    Mommy würde sagen: »Denk an die guten Sachen, nicht an die schlechten.« Als Chloe die letzten drei Stufen hinunterstieg, dachte sie an Mrs. Miller und Mr. Drake und ganz und gar nicht an Mrs. Hobb … oder jedenfalls nicht sehr.
    Am Fuß der Treppe spähte sie in die fast vollständige Dunkelheit. Nur die Nachtlichter waren an, die Mommy überall angebracht hatte, als Chloe nicht mehr in den Keller hatte gehen wollen und Mommy geglaubt hatte, sie habe Angst vor der Dunkelheit. Was zutraf, aber nur ein bisschen und nur deshalb, weil Mrs. Hobb sich in der Dunkelheit an sie heranschleichen konnte.
    Jetzt konnte Chloe aber die Tür des Kühlraums sehen, hielt ihren Blick also fest auf sie gerichtet und lief so schnell sie konnte auf sie zu. Als sich etwas bewegte, vergaß sie, dass sie nicht hinsehen durfte. Es war aber nur der hängende Mann, und sie sah auch nichts weiter als seine Hand, die ganz kurz hinter dem Ofen sichtbar wurde, als er schwankte.
    Chloe rannte zur Kühlraumtür und riss sie auf. Im Inneren war es pechschwarz.
    »Chloe?«, rief Emily aus der Dunkelheit.
    Chloe ballte die Fäuste. Jetzt wurde Emily wirklich gemein. Sich zu verstecken und …
    Rasche Schritte
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