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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde
Autoren: Kelley Armstrong
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tollwütigen Hund. Warten Sie mal, bis Sie zu sehen bekommen, was er mit Chloes Arm gemacht hat.«
    »D-Derek?« Ich kämpfte gegen den Sog des Betäubungsmittels an. »Aber das war nicht Derek. Ich hab mich geschnitten.«
    Tante Lauren fing mich auf, als ich gegen die Wand sackte. Ich versuchte sie wegzustoßen, aber meine Arme reagierten nicht mehr. Sie schrie, dass sie sich mit der Bahre beeilen sollten, beugte sich dann über mich und hielt mich aufrecht.
    »Du brauchst ihn nicht zu verteidigen, Chloe«, flüsterte sie. »Wir wissen, was er ist.« Ein wütender Blick über die Schulter, zu Dr. Davidoff hin. »Ein Ungeheuer. Jemand, der von Anfang an nicht zu den …«
    Die nächsten Worte verstand ich nicht. Der Gang flackerte und begann zu verblassen.
    Ich versuchte, mich zu konzentrieren und erkannte ihr Gesicht über mir. »Aber wir werden nicht zulassen, dass er Simon etwas tut, Chloe. Das verspreche ich dir. Wenn du aufwachst, kannst du uns helfen, Simon zu finden und ihn zurückzuholen. Ich weiß, dass er dir wichtig ist. Uns ist er auch wichtig. Ihr alle seid das. Du und Rachelle und Simon und Victoria. Ihr seid etwas Besonderes. Ihr seid …«
    Und alles wurde dunkel.

47
    I ch war wach und starrte die Wand an. Ich konnte mich nicht überwinden, mich auf die andere Seite zu wälzen und mich umzusehen. Konnte mich nicht einmal dazu bringen, den Kopf vom Kissen zu heben. Ich spürte den Sog des Betäubungsmittels, das mich wieder nach unten und in den Schlaf hineinziehen wollte, aber ich hielt die Augen offen und den Blick auf die grüngestrichene Wand gerichtet.
    Tante Lauren hatte mich verraten.
    Als sie geglaubt hatte, ich hätte mit Derek herumgeknutscht, hatte ich mich verraten gefühlt. Jetzt dachte ich daran zurück, wie wütend ich gewesen war, und die Kehle zog sich mir zusammen, als ich darum betete, an diesen Punkt zurückkehren zu können. Zu dem Augenblick, in dem ich gedachte hatte, dass dies das Schlimmste war, was sie mir jemals antun könnte.
    Es war alles eine Lüge gewesen.
    Sie war eine Lüge. Unsere Beziehung war eine Lüge.
    Schon damals, als ich als Kind Schreckgespenster im Keller gesehen hatte, hatte sie genau gewusst, dass ich Geister sah. Meine Mutter hatte es auch gewusst. Deshalb hatte sie darauf bestanden, dass wir umzogen.
    Ich befingerte meinen Anhänger. War er mehr als ein alberner Talisman, der mich davon überzeugen sollte, dass keine Gefahr bestand? Hatte meine Mutter wirklich geglaubt, er würde mich schützen? War das der Grund, warum Tante Lauren durchgesetzt hatte, dass ich ihn auch in Lyle House hatte tragen dürfen? Simon hatte gesagt, Nekromantie sei erblich. Wenn sowohl meine Mutter als auch meine Tante von den Geistern gewusst hatten, musste es auch ihnen im Blut liegen.
    Wusste mein Vater Bescheid? War das der Grund, warum er sich von mir fernhielt? Weil ich ein Fehlschlag war, eine Monstrosität?
    Ich dachte an meine Mutter. An den Unfall. Der unfallflüchtige Fahrer war nie gefasst worden. War es wirklich ein Unfall gewesen? Oder hatte jemand …?
    Nein. Ich verdrängte die Vorstellung und umklammerte das Kissen fester. Ich konnte nicht zulassen, dass mein Geist jetzt alle möglichen wilden Theorien entwickelte, sonst würde ich verrückt werden.
    Verrückt.
    Tante Lauren wusste, dass ich nicht verrückt war, aber sie hatte mich in dem Glauben gelassen, ich sei es. Sie hatte mich in ein Wohnheim abgeschoben.
    Ein Wohnheim voll weiterer paranormaler Teenager.
    Als Tante Lauren gesagt hatte, wir seien etwas Besonderes, hatte sie auch Rae erwähnt. Dann musste Rae wohl wirklich eine von diesen Halbdämonen sein. Und was war mit Tori? Was war sie? Wusste es ihre Mutter? Wenn ihre Mutter für diese Leute arbeitete, dann musste sie es wohl wissen, und wenn sie es wusste und Tori trotzdem die Schuld dafür gab, dass sie keine Fortschritte machte – was für eine Mutter tat so etwas?
    Aber hatte meine Tante nicht das Gleiche getan? Nur hatte sie es mir mit Lächeln und Umarmungen versüßt. Vielleicht war das noch schlimmer. In diesem Augenblick kam es mir schlimmer vor.
    War Lyle House der Ort, an den man unseresgleichen schickte, wenn etwas schiefging? Steckte man uns dort hinein, verschrieb Medikamente und versuchte uns einzureden, dass wir in Wirklichkeit psychisch krank waren? Aber warum? Wäre es nicht einfacher, uns die Wahrheit zu sagen? Warum sagte man es uns nicht, wenn wir noch Kinder waren, und bereitete uns darauf vor, brachte uns bei, wie man es
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