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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus
Autoren: Alex Reichenbach
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lagen Flickenteppiche verstreut. Mittendrin hatte jemand eine hölzerne Eisenbahn aufgebaut. Villa Kunterbunt eben. In der weißen Keramikspüle stand noch dreckiges Geschirr, das nach gut zwei Wochen Lagerdauer nicht sehr appetitlich aussah.
    Im Erdgeschoss gab es nichts, was in Hinsicht auf den Fall von Interesse schien. Winter ging nach oben. Dort roch es anders, aber nicht besser. Die Schlafzimmertür stand weit offen. Im Licht eines Westfensters, durch das die tief stehende Wintersonne hereinfiel, sah man schon vom Flur den großen Fleck auf den Dielen, der die Stelle markierte, wo Thomas Vogel sterbend zusammengebrochen war. Winter stieg mit einem langen Schritt über den Fleck hinweg ins Schlafzimmer. Der Raum mit seinen Holzpaneelen hatte zwei Fenster und wirkte bei Tag nicht ganz so düster wie von den Fotos her erwartet. Aber zum Verweilen lud er im derzeitigen Zustand auch nicht gerade ein. Die Reste von Hirnmasse im Bett und an den Holzpaneelen dahinter waren in den letzten zwei Wochen vor sich hin gemodert. Die Fliegen hatte Winter schon von draußen summen gehört. Er hielt sich im Schlafzimmer nicht lange auf.
    Vom oberen Flur gingen außer dem Schlafzimmer noch drei andere Räume und das Bad ab. Die Holztüren und Türrahmen hatte jemand, der kein Profi war, in einem leuchtenden Blau gestrichen. Winter dachte an das Foto, das Sabrina Vogel fröhlich in Latzhose und mit einem blau beschmierten Pinsel in der Hand zeigte.
    Im Bad suchte er nach Medikamenten, obwohl die Kollegen das sicher längst getan hatten. Es gab eine klassische Hausapotheke, die nichts Ungewöhnliches enthielt. Sabrina Vogel schien außer einem hellblauen Eyeliner keinerlei Schminkutensilien zu besitzen. Das war auf den ersten Blick seltsam, passte aber zu dem ungeschminkten Gesicht auf den Fotos. Ein paar Cremetöpfe gingen in Richtung Naturkosmetik. Ob sie wirklich einen Liebhaber besaß? Manche Männer mochte gerade das Natürliche an ihr gereizt haben. Ausstrahlung hatte sie, das hatte Winter auf den Fotos gesehen. Jetzt fiel ihm auch ein, an wen sie ihn erinnert hatte: An Fotos der ganz jungen Prinzessin Diana, als die noch nicht Prinzessin war, sondern eine rosenwangige, kokett-unschuldige Kindergärtnerin.
    In einem der oberen Räume fehlte die Tür. Hier stand ein einzelnes unbezogenes Bett unter der Dachschräge, gegenüber ein halbleerer Kleiderschrank mit Kleidern in Plastikfolie und massenweise Krimskrams. Neben dem Schrank verbargen sich Staubsauger und Bügelbrett. An der Türseite des Zimmers lehnte ein schlichtes, nicht mal einen Meter breites Bücherregal. Winter nahm ein paar Bände heraus. Es waren billige Taschenbücher. Vorne war überall in mädchenhafter Schrift «Sabrina Pfister» und ein Datum eingetragen. Die Bücher stammten noch aus Sabrina Vogels Schulzeit. Doch Kinderbücher waren es keineswegs. Winter sah den «Steppenwolf» von Hermann Hesse und irgendwas von Carlos Castaneda. Hatte das nicht mit Drogen zu tun? Völlig zerlesen war ein Buch namens «I Ging», das Esoterisches zu beinhalten schien.
    Winter nahm an, dass es sich bei diesem türlosen Raum um ein Gästezimmer handelte, das Sabrina Vogel auch hauswirtschaftlich und als Abstellraum für die alten Bücher nutzte. Er fragte sich, wer hier wohl übernachtet hatte – falls überhaupt jemand. Die kanadische Freundin vielleicht.
    Die beiden Räume auf der anderen Seite des Flures waren Kinderzimmer. In einem summten die Fliegen. Ein Nymphensittich lag tot in seinem Käfig. Der Wasserbehälter war leer, und hier war sicher auch die Todesursache zu suchen. Die Kollegen mussten das Tier beim Versiegeln des Hauses achtlos zurückgelassen haben. Auf einem Bücherbord sah Winter gestapelt drei Kinderbücher, die offensichtlich der Stadtbücherei entstammten. Ein Impuls ließ ihn danach greifen. Die Bücher sollte jemand von der örtlichen Wache zurückbringen, ansonsten würden sie am Ende im Müll landen, und da gehörten sie nicht hin.
    Im muffigen Keller gab es außer einer Waschmaschine und einer weiteren toten Maus nichts zu sehen. Winter verließ das Haus und nahm sich die Schuppen draußen auf dem Grundstück vor. Hier gab es von gestapelten Fliesen über uralte Landwirtschaftsmaschinen bis hin zu Schmiedewerkzeug so ziemlich alles. Alle Nebengebäude waren extrem unübersichtlich. Als Winter den zweiten Schuppen gerade verlassen wollte, stach ihm eine blaue Holztür ins Auge, die ausgehängt an einer Wand lehnte. Das war zweifellos die Tür,
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