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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus
Autoren: Alex Reichenbach
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was darin gipfelte, dass er ihr, gnadenlos politisch inkorrekt, vorschlug, sie solle doch in die Türkei zurückgehen, wenn es ihr hier nicht gefalle. Die folgende Eiszeit zwischen beiden war in mäßiges Tauwetter übergegangen, als sie Ende Oktober zwangsweise für zwei Wochen eng zusammenarbeiten mussten. Trotz aller Differenzen hatten sie sich am Ende halbwegs miteinander arrangiert. Auf der Weihnachtsfeier vor drei Wochen hatten sie dann schließlich in Erinnerungen betreffs des gemeinsam gelösten Falls geschwelgt, beschlossen, sich wieder zu duzen, und zu vorgerückter Stunde auch noch länger miteinander getanzt. Winter hatte sie irgendwann bei einem Blues definitiv zu eng und auf zu eindeutige Weise an sich gedrückt. Er hoffte bloß, dass sie es auf seinen Alkoholpegel geschoben und sich nichts weiter gedacht hatte.
    Fock eröffnete wie üblich die Besprechung. Gebrieft von Winter, berichtete er von dem mysteriösen Mann mit dem Lastwagen, der möglicherweise ein Liebhaber Sabrina Vogels war, und von der zerschossenen Tür im Schuppen. In den Reihen kam Unruhe auf, besonders bei den Leuten von der Tatortsicherung, die sich wohl fragten, wer die Tür im Schuppen übersehen hatte.
    «So weit, so gut», schloss Fock. «Herr Winter, bitte fassen Sie den Stand zusammen und verteilen Sie Aufgaben.»
    Winter kam nach vorne zur Tafel. «Was wissen wir über den oder die Täter?», begann er. «Es gibt keine Anzeichen, dass etwas gestohlen wurde. Falls es dabei bleibt, muss das Motiv ein persönliches sein. Die Tat richtete sich höchstwahrscheinlich primär gegen Sabrina Vogel. Thomas Vogel wurde wohl nur außer Gefecht gesetzt, damit der Täter fliehen konnte. So lässt sich erklären, dass bei ihm auf den Bauch gezielt wurde statt auf Brust oder Kopf. Vogel würde noch leben, wenn nicht zufällig die Aorta getroffen worden wäre. Der Täter war demnach wahrscheinlich maskiert, oder aber im Schlafzimmer war es so dunkel, dass er hoffte, unerkannt zu bleiben.
    Meiner Meinung nach haben wir es ziemlich sicher mit einem Einzeltäter zu tun. Dafür spricht nicht nur das persönliche Motiv, sondern auch das Motorrad, das die Nachbarn nachts gehört haben. Wenn man zu zweit kommt, würde man eher ein Auto wählen. Noch was: Der Täter war anscheinend mit den Örtlichkeiten vertraut. Ich denke, wenn er nicht gewusst hätte, wo das Schlafzimmer ist, dann hätte er mehrere Türen probiert oder Lichter angeschaltet und die Familie wohl schon vor den Schüssen aufgeschreckt. Fazit also: Wir suchen eine Person, die über ein Motorrad sowie einen Magnum-Revolver verfügt und mit beidem umgehen kann und die außerdem in einer wie auch immer gearteten Beziehung zu Sabrina Vogel stand. – Steffen, du siehst dir morgen die Datenbanken daraufhin an. Magnum-Waffen sind nicht so häufig.»
    Steffen Leibold nickte. Er war mit Anfang dreißig der Jüngste in der MK , mittelgroß, braunhaarig und grundsätzlich von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet, was er damit begründete, dass er dann morgens nie überlegen müsse, welches Kleidungsstück zu welchem passe. Nach Überflieger-Examen an der FH war Leibold direkt zum K  11 gekommen, aber im Umgang mit Menschen war er mehr als ungeschickt. Die Bildschirmrecherche war seine große Stärke.
    «Es ist übrigens nicht auszuschließen, dass die Waffe legal ist», ergänzte Winter. «Versuch also mal rauszubekommen, wie viele Motorradfahrer mit Waffenschein für einen Magnum-Revolver es in Hessen gibt und wie viele davon im Raum Frankfurt wohnen.»
    «Im Frankfurter Raum genau acht», erklärte Leibold.
    «Wie, hast du das schon gemacht?»
    Leibold grinste linkisch. «Ja, heute. Anlässlich deiner Wiederkehr. Da ich dich kenne, war mir klar, was du von mir wissen willst.» Seine Augenlider flatterten. Leibold hatte unter starken Brauen einen Blinzeltick, der sich merkwürdigerweise nur gegen Abend bemerkbar machte. Deshalb war das Problem bei der Eignungsprüfung nicht aufgefallen.
    «Ausgezeichnet», kommentierte Winter, «du zeigst mir das später. Bevor wir zur weiteren Aufgabenverteilung kommen: Gibt es noch Anmerkungen oder Fragen bis hierhin?»
    Sven Kettler hatte während Winters Vortrag hinter seiner Hornbrille sehr missgelaunt dreingesehen und mit seinem Sitznachbarn Heinz Glocke getuschelt. Doch anders als erwartet hob er nicht den Arm.
    «Okay, dann zur weiteren Aufgabenverteilung. Erstens, betreffs der Großmutter Renate Vogel aus Kelkheim. Die haben ja einige von uns im
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