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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab
Autoren: Nané Lénard
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Sie schien ganz in sich zusammengesunken zu sein.

Verschwunden
    Irgendwo in einer Villa am Rande der Eilenriede in Hannover war seit Wochen nichts mehr so, wie es einmal gewesen war. Wenn ein Kind spurlos verschwindet, verändert sich das Leben auf eine Art und Weise, die niemand nachempfinden kann, der dies nicht selbst erlebt hat. Verena Görlitz hatte längst keine Tränen mehr. Sie waren in den Flugblättern, Zeitungsberichten und Fernsehappellen versiegt. Übrig blieb das Grauen. Die Fantasie zeigte ihr immer wieder neue Bilder. Meist in der Nacht, aber oft auch am Tage, sah sie ihre Tochter Sophie gequält, gefoltert, missbraucht und auf jede erdenkliche Todesart ums Leben gebracht. Sie wollte diese Bilder nicht, versuchte sie von sich zu schieben, nahm Tabletten, um zu vergessen und erkannte schließlich, dass dadurch nichts besser wurde. Nur das Dumpfe nahm zu und sie musste doch wach bleiben. Wach für Sophie, falls sie noch lebte.
    Anfangs hatte man nach ihr gesucht und viele Fragen gestellt, doch inzwischen war das Interesse verebbt. Sie blieb einfach verschwunden. Kein Lebenszeichen, keine Lösegeldforderungen, einfach nur ein grausames Nichts, als ob es die Siebenjährige niemals gegeben hätte. Ihr Zimmer lag verwaist im ersten Stock. Man konnte ihren Duft einatmen, wenn man es betrat. Er war noch da, doch Verena hielt sich fern, aus Angst, sie könnte die Sehnsucht dann nicht ertragen.
    Ihr Mann, Dr. Justus Görlitz, ging anders mit der Situation um. Sie konnte ihm nicht vorwerfen, dass er sie leichter nahm. Er stürzte sich in seine Arbeit, bis spät in die Nacht. Manchmal, wenn sie nach ihmsuchte, fand sie ihn im Kinderzimmer. Doch er hatte wenigstens noch ein Kind aus erster Ehe. Sarah studierte längst und lebte ihr eigenes Leben in einer anderen Stadt. Sophie war Verenas einziges Kind. Ein unverhoffter Glücksfall, mit dem sie nie gerechnet hätte. Ein Wunder, das einer gebärunfähigen Frau kurz vor dem vierzigsten Lebensjahr zuteil geworden war, in einer Zeit größter Zerrissenheit. Erst durch Sophie lag ihr Weg klar vor ihr. Mit dem Kind, das in ihr wuchs, wuchs auch die Entschlossenheit ihn zu gehen.

Schwarz
    Lady Gaga war längst schwanzwedelnd vorausgerannt, als Wolf Hetzer endlich erkannte, wer da vor seiner Haustür saß.
    „Moni“, rief er, „bist du’s wirklich?“
    „Ein Geist bin ich nicht!“, sagte sie und kraulte die Hündin hinter den Ohren. Wolf fand, dass sie grau im Gesicht war. Er setzte sich zu ihr auf die Stufen. Alles an ihr schien farblos, das Haar, die Haut, die schwarze Kleidung. Da begriff er plötzlich.
    „Mein Beileid“, sagte er leise und legte den Arm um sie. „Wollen wir nicht reingehen? Ist ein bisschen kalt auf den Stufen.“ Sie nickte und richtete sich auf.
    Wolf schloss die Tür auf und nahm Moni ihren Mantel ab. Schwarz unter schwarz, dachte er mehr im übertragenen Sinn, und das genau in dem Moment, wo ich mich entschlossen habe, wieder etwas bunter in die Zukunft zu sehen.
    „Möchtest du Kaffee?“, fragte er.
    „Ja, schwarz bitte!“, gab sie zurück und setzte sich zu den Katern Max und Moritz auf die Chaiselongue.
    „Du wirst gleich ganz voller Haare sein“, wandte Wolf ein. „Die Jungs wechseln gerade ihr Fell und dein Kostüm ist ruiniert.“
    „Egal, das hat sowieso ausgedient. Ich bin so froh, wieder hier zu sein.“ Moni rutschte etwas näher zu den Katern.
    „Wann ist deine Schwester denn verstorben? Oder möchtest du nicht darüber sprechen?“, fragte Wolf vorsichtig.
    „Doch! Genau das möchte ich. Sprechen, meine ich. Das hat mir so gefehlt, da in dieser einsamen Finca.“ Sie räusperte sich. „Meine Schwester hat nicht mehr lange gelebt nach ihrem Sturz. Du erinnerst dich noch, dass ich ziemlich Hals über Kopf abgereist bin. Sie lag noch eine Zeit lang auf der Intensivstation, dann sah es zunächst gut aus und plötzlich ist sie an einer Lungenembolie gestorben.“
    „Das tut mir sehr leid, Moni!“
    Moni winkte ab. „Ach, weißt du, wir hatten nicht immer das beste Verhältnis. In den letzten Jahren war es mehr eine friedliche Koexistenz. Ich fühlte mich halt für sie verantwortlich, als sie krank wurde. Es war trotzdem eine einsame Zeit. Äußerlich sonnig, innerlich unterkühlt. Sie war kein besonders geduldiger Patient. Von der schönen Insel habe ich wenig gesehen.“
    „Schade“, sagte Wolf und meinte das in jeder Hinsicht, nur in einer nicht, dass Moni wieder da war. „Du könntest das irgendwann
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