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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab
Autoren: Nané Lénard
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innerlich.
    „Menschenknochen?“, fragte Hansens junger Kollege Martin Hinrichsen.
    „Woher soll ich das wissen?“, stöhnte Hansen und erhob sich mühsam. „Das muss ein Arzt begutachten! Ich rufe Hauke, äh Dr. Johann, an. Er soll rauskommen.“
    Hinnerk fand, dass das die erste gute Idee war.
    „Sieht wie ein Fuß aus!“, sagte Hinrichsen, der die Fundstelle umrundet hatte.
    „Dann würde ich mal nicht zu viel da herumwandern, falls wir die Kripo noch brauchen.“ Christian Hansen holte sein Handy aus der Tasche, setzte sich auf eine Bank am Strandweg und rief seinen Schwager an.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis Dr. Hauke Johann am Strand eintraf. Inzwischen war es fast neun und der Strand füllte sich mit Touristen. Hinrichsen scheuchte die Schaulustigen weg.
    „Tja, Krischan“, sagte Dr. Johann, „das sind eindeutig Menschenknochen, und um es etwas einzugrenzen: Es sieht so aus, als handele es sich um den Fuß eines Kindes! Näheres müsste aber die Rechtsmedizin klären.“
    „Scheiße!“, entfuhr es Polizeihauptmeister Hansen. „Also das volle Programm.“ Er warf seinem Kollegen Hinrichsen einen genervten Blick zu. „Du sorgst dafür, dass hier keiner in die Nähe kommt, verstanden?“ Dann zog er zum zweiten Mal an diesem Morgen sein Handy aus der Tasche und rief die Kripo an.

Wolf
    Unter der Frankenburg war nichts mehr wie vorher. Auch das Versprechen des Frühlings, der sich mit lauer Luft und Vogelzwitschern ankündigte, konnte Kommissar Wolf Hetzer keine Freude schenken. Niemals zuvor in seinem Leben hatte er gefühlt, dass seine Batterie so leer war. Selbst die Sonne, die nun schon wieder Kraft hatte, konnte ihn nur mühsam aus dem Haus locken. Vielleicht war es auch seine Schäferhündin Lady Gaga gewesen, die ihn genötigt hatte, indem sie ihn immer wieder mit der Schnauze anstupste, bis er endlich seufzend nachgab. Im Hauswirtschaftsraum stieg er in das schlammfarbene Paar seiner Lieblingsschuhe und ärgerte sich, dass er sie nicht erst draußen angezogen hatte. Diese Sauerei. Dreckklumpen überall, durch die jetzt zu allem Überfluss auch noch der Hund sprang, der sich auf seinen Spaziergang freute.
    „Du bist echt gaga!“, sagte er zu ihr. Ihm fiel ein, wie sehr er sich damals amüsiert hatte, als sich eine Sängerin diesen Namen gegeben hatte. Jeder dachte natürlich, dass die Schäferhündin nach ihr benannt war. Ihm war das heute egal. Es war lange her. Er konnte sich fast nicht mehr daran erinnern, wann er zum letzten Mal Spaß gehabt hatte. Von fleischlichen Freuden ganz zu schweigen. Seine Laune sank.
    Er hatte gehofft, dass die freien Tage ihm guttun würden, aber das war ein Trugschluss. Ihm blieb nur noch mehr Zeit, um über sich selbst und die nahe Vergangenheit nachzudenken.
    Das Fazit, das er ziehen musste, als er den Waldweg hinaufging, war erschreckend. Sein Kollege Dickmannwar tot, und er hatte es nicht verhindern können. Wie seine Verlobte war er in seinen Armen gestorben. Das hatte die alten Schatten zurückkehren lassen. Moni, seine Nachbarin und Freundin, mit der er gerne sein Leben geteilt hätte, lebte überwiegend bei ihrer Schwester auf Teneriffa. Ein anderer Kollege war suspendiert worden, und Peter Kruse … Ja, Peter Kruse, sein Freund und Teamkollege war schwer verliebt und beschäftigt.
    Hetzer fühlte sich im Stich gelassen. Daran konnten die Kater Max und Moritz ebenso wenig ändern wie Lady Gaga, die jetzt mit einem Stock im Maul auf ihn zugelaufen kam und ihn anwedelte. Alle hatten Erwartungen an ihn, aber es kostete ihn Überwindung, sie zu erfüllen. Halbherzig warf er den Stock und war nicht traurig, als er beim vierten Mal in einer Astgabel hängen blieb.
    Momentan brachte er nicht einmal die Energie auf, sich mit dieser Anna aus Vehlen zu treffen. Er wusste nicht, worüber er mit ihr sprechen sollte. Er kannte sie ja kaum. Mit Moni wäre das etwas anderes gewesen.
    Hetzer fragte sich, ob er vielleicht depressiv war oder sich zumindest in einer solchen Phase befand. Eigentlich warf ihn nichts so leicht um, doch nun war vieles zusammengekommen. Ihm fehlten die schönen Dinge des Lebens. Er sollte sich darauf besinnen, dachte er, und hielt sein Gesicht in die Sonne. Die Wärme und das Licht waren doch ein guter Anfang. Er musste einfach nur auftanken. Mit diesem Vorsatz schlenderte er langsam nach Hause zu seiner alten Kate unter der Frankenburg und wunderte sich, dass dort eine dunkel gekleidete Gestalt auf den Stufen vor seiner Haustür saß.
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