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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab
Autoren: Nané Lénard
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gedrückt. Als ob er seinen Kaffee nicht mehr selbst bezahlen könnte. In jüngeren Tagen hätte er dem arroganten Flegel in Uniform das Geld vor die Füße geschmissen. Jetzt fand er, dass er diese unverhoffte Unterstützung von Vater Staat lieber annehmen sollte, wenn auch mit einem Knurren.
    Er fühlte sich ein bisschen unwohl. Zwei Dinge brannten in seinen Hosentaschen, eins rechts, eins links, dabei hatte er nur Strandgut eingesteckt. Aber wenn er an diese Knochen dachte, hatte er ein schlechtes Gewissen. Die Mädchenuhr und das Handy hatten in der Nähe gelegen. Er hätte beides sofort abgeben sollen. Es jetzt zu zeigen, war schlecht. Damit würde er sich möglicherweise verdächtig machen, auch wenn er einfach nur am Strand herumgestöbert hatte. Die Welt war schlecht. Arme, alte und kranke Mitbürger könnten in Verdacht geraten, während andernorts ein Kindermörder sein Unwesen trieb. Aber vielleicht machte er sich auch zu viele Gedanken. Was sollte er auch schon tun? Das Gehirn stand ja nicht still, wenn man stundenlang darauf wartete, dass man gelöchert wurde.
    Sollte er die Sachen nun rausrücken? Hinnerk war unentschlossen. Er mochte Kinder. Die Knochen kamen ihm wieder in den Sinn. Seufzend griff er inseine Hosentaschen und zog die Gegenstände heraus. Er wendete die rosafarbene Mädchenuhr hin und her, konnte aber nichts weiter entdecken, außer dass sie beschlagen und stehen geblieben war. Auch das Handy verriet ihm nichts als ein paar Schrammen im silbernen Gehäuse und dass das Batteriefach samt Akku fehlte. Was sollte er schon mit dem Schrott? Und vielleicht diente das Strandgut dazu, ein fieses Schwein zu schnappen. Aber so schnell wollte er die Karten nicht auf den Tisch legen, dachte er und steckte beides wieder ein. Erst mal sehen, was der von der Kripo für Fragen stellte, und damit schien es jetzt endlich loszugehen.

Verena und Justus
    Selbst in der Phase des Leidens trat eine gewisse Gewöhnung ein, wenn nichts Neues geschah und sich nur die lähmende Ungewissheit durch Tag und Nacht zog. Zeiträume dehnten sich bis zur Unendlichkeit aus, ja die Zeit selbst verlor ihre Dimension in der Seele der Wartenden.
    Verena war in einen Zustand ewiger Dämmerung übergegangen, doch der Alltag ging weiter. Man kann sagen, dass sie doppelt vorhanden war, weil Körper und Psyche keine Einheit mehr bildeten. Sie funktionierte wie ein Uhrwerk, ohne dass ihre Seele daran Anteil nahm. Die war entrückt in sich selbst. Sie schützte sich auf diese Weise und war von außen schwer erreichbar. Das machte es noch schlimmer für Justus, der nicht nur seine Tochter, sondern auch seine Frau verloren zu haben schien. Beide waren verschwunden, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Er wäre ihr gern eine Stütze gewesen, vermochte sie aber nicht zu erreichen. Von ihr konnte er keine Hilfe erwarten. Sie war mit ihrer Kraft am Ende, die nicht einmal für sie selbst gereicht hatte.
    Oft saß er des Nachts im Kinderzimmer und versuchte zu verstehen, was nicht zu begreifen war. Knapp fünf Wochen, genauer gesagt 33 Tage, war Sophie nun fort, ohne dass es den kleinsten Hinweis gab. Anfangs war es turbulent gewesen. Befragungen durch die Polizei konnten den Schockzustand nicht durchdringen, in dem sie sich befanden. Es gab auch nicht den kleinsten Hinweis auf eine Entführung. Sophie war einfach aus dem Haus verschwunden, alsihre Mutter zum Einkaufen war. Winterjacke und Stiefel fehlten, Mütze und Handschuhe hatte sie dagelassen. Das sprach im Grunde dafür, dass sie nur in der Nachbarschaft zum Spielen unterwegs war, aber normalerweise tat sie das nie, ohne ihrer Mutter Bescheid zu sagen.
    Die Polizei hatte Sophies Verschwinden sehr ernst genommen, als sie am frühen Abend die Vermisstenanzeige aufgegeben hatten. Und obwohl die Eltern schon in der Verwandt- und Bekanntschaft angerufen hatten, nahmen die Beamten Kontakt mit jedem auf, der Sophie kannte, auch in der Nachbarschaft rund um die Gretchenstraße, in der Schule und im Freundeskreis. Hunde wurden eingesetzt, aber ihre Spur endete auf dem Gehsteig. Auch im Hannoverschen Stadtwald, der Eilenriede, fand man nichts, was auf den Aufenthalt oder den Verbleib des Mädchens hindeutete.
    Nachdem sich der Tumult um Sophies Fortsein gelegt hatte, wurde es sehr ruhig. Zu ruhig. Man hatte die Fangschaltungen aus der Telefonanlage wieder entfernt, ein Entführer hatte sich nie gemeldet. Und auch die wäre ohne Erpresserschreiben wahrscheinlich nie installiert worden, wenn
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