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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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schwang er sich in den Sattel und trat das Pferd in einen flotten Trab. Das erste Licht des Morgens und die bereits warme Luft, die nach auf der Weide blühenden Wildrosen duftete, gestalteten den Aufbruch ein wenig leichter.
    Ein Schwarm Wildgänse stieg vom Fluß auf. Fast vermeinte er, Alec am Ufer zu sehen, wie er versuchte, Patch mit einem Lederfetzen aus dem Bach herauszulocken. Damals war der Junge noch ein Inbegriff der Unschuld und guter Absichten gewesen; wieso nur hatte er so hart gearbeitet, um diese Eigenschaften zu besudeln?
    Er ritt zur Brücke und zügelte Cynril. Nebel kräuselte sich von der Wasseroberfläche empor und leuchtete golden im ersten Licht des Sonnenaufgangs. Für Seregil sah er aus wie ein magischer Pfad, der in unerforschte Reiche führte.
    Er zog den Dolch aus dem Stiefel, überprüfte die scharf geschliffene Schneide, dann schaute er abermals auf den glitzernden Fluß.
    Diese Richtung schien so gut wie jede andere.
     
    Irgend etwas berührte Alecs Hand; in der Erwartung, Illia oder einen der Hunde zu erblicken, öffnete der Junge ein Auge.
    Nysander stand neben dem Bett.
    »Geh ihm nach«, flüsterte der Magier mit so leiser Stimme, als käme sie aus großer Ferne.
    Mit pochendem Herzen rappelte sich Alec auf. Nysander war verschwunden, sofern er überhaupt je hier gewesen war. Schlimmer noch, Seregil war verschwunden. Alec fuhr mit der Hand über das Bettuch, wo Seregil geschlafen hatte. Die Stelle fühlte sich kalt an.
    Ob Traum oder Vision, die Dringlichkeit von Nysanders Warnung wurde mit jedem Atemhauch stärker.
    Genau wie in jener Nacht, als ich zurück zur Herberge geritten bin …
    Alec kletterte aus dem Bett, schlüpfte in eine Hose und ein Hemd und rannte zur Tür. Als er über die Schwelle lief, blieb sein nackter Fuß an etwas hängen. Es handelte sich um eine dicke, mit einem schlichten Faden verschnürte Rolle Pergamente. Rasch knotete er die Schnur auf und überflog die vertrauten Schriftzüge auf der ersten Seite.
    »Alec talí, behalt mich in lieber Erinnerung und versuch …«
    »Verflucht!« Die Bögen stoben in alle Richtungen, als Alec zum Stall preschte.
    Die Hoffnung, Seregil könnte sich zu Fuß auf den Weg gemacht haben, wurde enttäuscht; Cynril fehlte aus ihrem Abteil. Hastig sprang Alec auf den ungesattelten Patch und suchte nach Cynrils Spuren, die er alsbald fand; deutlich sah er die unverkennbaren Abdrücke des leicht gespaltenen rechten Hinterhufs im Staub der Straße vor dem Hoftor.
    Er trat Patch in einen Galopp, ritt den Hügel hinab und über die Brücke, dann zügelte er das Pferd, wo die beiden Straßen aufeinander trafen, um festzustellen, welche Richtung Seregil eingeschlagen hatte.
    Doch er entdeckte keine weitere Fährte von Cynril. Fluchend stieg Alec ab, um den Boden eingehender zu betrachten, dann ging er zurück zur Brücke, ließ den Blick über den Hang schweifen und hielt Ausschau nach verräterischen Spuren auf der taufrischen Wiese. Doch auch dort erspähte er nichts, ebensowenig auf dem Hügelpfad. Gerade wollte er zurückreiten, um Micum zu holen, als ihm oberhalb der Brücke am Ufer des Bachs eine Stelle mit frisch aufgewühltem Kiesel ins Auge sprang.
    Du bist ins Bachbett geritten, du verschlagener Mistkerl! dachte Alec voll widerwilliger Bewunderung. Die Brücke war zu niedrig, um darunter hindurchzureiten, und stromabwärts erblickte er sonst keine Spuren. Stromaufwärts befanden sich Bekas Otterteich und der verhängnisvolle Paß, den Alec auf dem Weg zu Warniks Tal überquert hatte.
    Und dahinter erstreckte sich die ganze, verfluchte Welt!
    Alec stieg wieder auf und trabte den Hügelweg hinauf. Das Bachbett wurde zunehmend tiefer, und bald fand er die Stelle, an der Seregil gezwungen gewesen war, auf den Pfad herauf auszuweichen. Die Spuren ließen darauf schließen, daß er von hier an ziemlich schnell weitergeritten war.
    Ohne auf die Zweige zu achten, die ihm ins Gesicht und über die Schultern peitschten, trat Alec Patch wieder in den Galopp. Als die Lichtung rings um den Tümpel vor ihm in Sicht geriet, war er gleichermaßen erleichtert und überrascht, neben dem Teich Seregil zu erblickten, der reglos im Sattel saß, als bewundere er den Morgen.
    Alecs erste Empfindung, als er Seregils Brief überflogen hatte, war der verzweifelte Wunsch gewesen, seinen Freund zu finden. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er gleichzeitig eine gehörige Portion Wut verspürt hatte. Als Seregil nun den Kopf hob und erschrocken, wachsam
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