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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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und Tod beschrieb.
    »Kein Wunder, daß Seregil so völlig niedergeschmettert wirkt«, flüsterte sie und streichelte den starken, sommersprossigen Arm ihres Mannes. »Wie konnte Nysander nur so etwas von ihm verlangen?«
    »Ich verstehe das alles selbst nicht ganz«, gestand Micum traurig. »Aber ich glaube, Nysander hatte recht damit, daß niemand außer Seregil den Mumm gehabt hätte, ihn niederzustrecken, als die Zeit reif war. Ich hätte es nicht gekonnt, und ich denke, Alec auch nicht.«
    »Manchmal vergessen wir, wie grausam die Götter sein können«, sagte Kari verbittert. »Liebe in Mord zu verwandeln, einfach so.«
    »Du hättest dabei sein müssen«, entgegnete Micum und starrte zu den flackernden Schatten an der Decke hinauf, die das Kaminfeuer warf. »Wenn du Nysanders Gesicht gesehen hättest … Es war kein Mord. Es war ein Akt der Gnade – und der Liebe.«
     
    In den folgenden Wochen langten unterschiedliche Berichte über den Krieg ein; die plenimaranische Armee war vorerst nach Ost-Mycena zurückgedrängt worden, aber ihre schwarzen Schiffe beherrschten das Meer und suchten die Ostküste Skalas bis Cirna hinauf heim, hatten aber den Kanal selbst bislang noch nicht erobert.
    Abgesehen von der Abwesenheit der jungen Männer, die in den Krieg gezogen waren, nahm das Leben auf Watermead im großen und ganzen den gewohnten Lauf. Auf den Gorathin folgte der Nythin, dann der Shemin, und mit ihm die ganze Pracht des Hochsommers. Sanfte Morgenregen nährten die Felder, und auf den Weiden sprangen kräftige Frühlingslämmer und -fohlen ausgelassen hinter den Muttertieren her.
    Kari blühte im Einklang mit dem Land auf und trug ihren dicken Bauch stolz vor sich her, während sie munter der täglichen Arbeit und den willkommenen Aufgaben des Sommers nachging. Seregil aber bereitete ihr weiterhin Kummer, obwohl seine Stille das einzige äußerliche Zeichen darstellte, daß mit ihm etwas nicht in Ordnung war. Sie wußte, daß Micum und Alec ihre Sorge teilten, doch keiner der beiden hatte auch nur die leiseste Ahnung, wie sie ihm helfen konnten.
    Seregil suchte bei keinem der beiden Trost, sondern lenkte sich ab, indem er eifrig auf dem Anwesen mithalf. Micum hatte ihm unmißverständlich gesagt, daß er und Alec auf Watermead willkommen wären, solange sie wollten, und Seregil schien zufrieden damit, das Angebot zu nutzen. Von Alec erfuhr Kari, daß er geschworen hatte, nie wieder einen Fuß nach Rhíminee zu setzen.
    Wäre er in Griesgrämigkeit oder Selbstmitleid versumpft, hätte Kari vielleicht versucht, ihn aus seinem Elend herauszureden, doch das tat er nicht. Wenn man ihn darum bat, erzählte er Geschichten und spielte Harfe. Er arbeitete mit den Pferden, half dabei, einen neuen Stall zu errichten und verbrachte die Abende damit, ausgeklügelte Vorrichtungen zu entwickeln, die Micum den Umgang mit dem verkrüppelten Bein erleichterten, einschließlich eines besonderen Steigbügels, der es ihm ermöglichte, trotz seiner Behinderung zu reiten.
    Seit kurzem konnte Seregil sich sogar dazu durchringen, Luthas wieder zu halten, doch sooft er allein war, versank er wieder in jener inneren Stille.
    Alec, der die schlimmsten Mißhandlungen von allen erlitten hatte, erholte sich am schnellsten. Die Arbeit auf dem Bauernhof tat ihm gut, und er wurde rasch wieder braun und fröhlich. Dennoch sah Kari oft, wie er Seregil beobachtete und versuchte, den inneren Aufruhr zu begreifen, der den Quell der Schweigsamkeit und des abwesenden Blickes seines Freundes darstellte.
    Nachts teilten die beiden im Gästezimmer ein Bett, doch Kari wußte, daß für Seregil auch dort kein Trost zu finden war.
     
    Eines Morgens Mitte Shemin erwachte Kari kurz vor Sonnenaufgang und fühlte sich zu unwohl, um wieder einzuschlafen. Egal, wie sie sich auch bettete, ihr Rücken schmerzte. Da sie Micum nicht wecken wollte, schlang sie sich ein Umhängetuch über das Nachthemd, sah nach Luthas, der in der Wiege neben dem Bett schlummerte und ging in die Küche, um Tee zu machen. Zu ihrer Überraschung hing der Kessel bereits an dem Haken über dem Feuer. Einen Augenblick später kam Alec mit einem Korb voll Birnen vom Baum im Hinterhof herein.
    »Du bist aber früh auf«, stellte er fest und bot ihr das Obst an.
    »Es ist dieser elende Balg.« Verkniffen lächelnd, runzelte sie die Stirn und massierte sich das Kreuz. »Er tritt nach seiner Mutter und schiebt die Knie und Ellbogen überall dort hin, wo er nicht soll. Was hat dich so früh
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