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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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will ich auch, aber ich kann nicht!«
    »Genau wie ich mich damals in Kassaries Bergfried einfach nicht überwinden konnte zu springen?«
    Seregil ließ ein dünnes, ersticktes Lachen vernehmen. »Ich glaube schon.«
    »Dann laß mich dir helfen, so wie du mir damals geholfen hast«, beharrte Alec.
    Seregil wischte sich an seinem triefnassen Ärmel die Nase ab. »Soweit ich mich erinnern kann, habe ich dich damals vom Dach in die Schlucht gestoßen.«
    »Ist mir auch recht, wenn es das ist, was du brauchst, um zu erkennen, daß ich dich nicht davonschleichen lasse wie einen alten Hund, der sich zum Sterben verkriecht.«
    Der schuldbewußte Ausdruck, der über die Züge seines Freundes huschte, verriet Alec, daß seine schlimmsten Befürchtungen richtig gewesen waren. »Ich lasse dich nicht gehen«, wiederholte er und ergriff Seregils Arm, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    Verzweifelt schüttelte Seregil den Kopf. »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Na schön, aber du gehst nicht ohne mich.«
    »Ich dachte, du wärst glücklich auf Watermead?«
    »Ich liebe alle dort wie meine eigene Familie, aber nicht …« Alec verstummte und fühlte, wie ihm Hitze in die Wangen schoß.
    »Aber nicht was?« Seregil drehte sich Alec zu, wischte ihm eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und musterte seine Züge.
    Alec zwang sich, unverwandt in Seregils fragende Augen zu blicken. »Nicht so sehr, wie ich dich liebe.«
    Seregil betrachtete ihn eine Weile; aus den grauen Augen sprach immer noch Traurigkeit. »Ich liebe dich auch. Mehr als ich seit langer Zeit jemanden geliebt habe. Aber du bist so jung und …« Hilflos breitete er die Arme aus und seufzte. »Es scheint mir einfach falsch.«
    »So jung bin ich auch wieder nicht«, widersprach Alec mit süßsaurer Miene und dachte daran, was sie gemeinsam bereits alles durchgemacht hatten. »Aber ich bin ein halber ’Faie, also habe ich noch viele Jahre vor mir. Außerdem fange ich gerade erst an, Aurënfaieisch zu verstehen, kann immer noch keine gewöhnliche Gabel von einer Schneckengabel unterscheiden und kein Dreikammschloß knacken. Wer außer dir soll mir denn all das beibringen?«
    Seregil schaute wieder auf den Teich hinaus. »Vater, Bruder, Freund und Geliebter.«
    »Was?« Kälte umschlang Alecs Herz; beinah dieselben Worte hatte Mardus gesprochen, als er sich nach Alecs Beziehung zu Seregil erkundigte.
    »Auch etwas, das mir das Illior-Orakel in jener Nacht gesagt hat, als ich es über dich befragt habe«, antwortete Seregil und beobachtete, wie ein Otter ins Wasser glitt. »Ich dachte immer, ich wäre mir über alles klar geworden, aber das stimmt nicht. Ich war die ersten drei Personen für dich und habe mir geschworen, das würde reichen, aber wenn du bei mir bleibst …«
    »Ich weiß.«
    Alec überraschte Seregil in einem unwachsamen Augenblick, beugte sich vor und preßte die Lippen mit derselben Mischung aus Unbeholfenheit und Entschlossenheit auf jene Seregils wie beim ersten Mal. Aber als der Junge spürte, wie Seregil die Arme um ihn schlang und ihn innig an sich drückte, lichtete sich die Verwirrung, die ihn den ganzen Winter hindurch gequält hatte, wie ein Nebel in einem drehenden Wind. Nimm an, was die Götter dir bescheren, hatte Seregil ihm oft geraten.
    Genau das würde er tun, und zwar voller Dankbarkeit.
    Seregil wich ein Stück zurück, und als er zärtlich Alecs Wange berührte, lag in seinen grauen Augen etwas, das Verwunderung ähnelte. »Was wir auch tun, talí, es ist ehrenvoll. Vor allem anderen bin ich dein Freund, und das werde ich immer sein, auch wenn du vielleicht später hunderte Frauen oder Geliebte hast.«
    Alec wollte widersprechen, doch Seregil lächelte und legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Solange ich einen Platz in deinem Herzen habe, bin ich zufrieden.«
    »Du mußt wohl immer das letzte Wort haben, was?« knurrte Alec, dann küßte er ihn abermals. Das Gefühl von Seregils schlankem Körper an dem seinen fühlte sich mit einem Schlag so natürlich und selbstverständlich an wie ein Bach, der in einen anderen fließt. Alecs letzte verbleibende Sorge bestand darin, daß er keine Ahnung hatte, wie er von hier an weiter vorgehen sollte.
    Das Geräusch eines Pferdes, das den Hügelpfad heraufgaloppierte, fegte das Problem vorerst vom Tisch.
    »Ich kann mir denken, wer das ist«, brummte Seregil und stand auf.
    Micum preschte auf die Lichtung. »Hier steckt ihr also!« rief er aus und funkelte mit finsterer Miene auf
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