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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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hatte Mardus so gut über ihr Treiben Bescheid gewußt, daß er keine Zeit mit unnötiger Zerstörung zu verschwenden brauchte.
    Der alter Runcer begrüßte sie mit dem üblichen Mangel an Überraschung, als wären sie bloß ein, zwei Tage statt mehreren Monaten fort gewesen. Seregils weiße Hunde, Zir und Mârag, zeigten sich ähnlich gleichmütig angesichts der Rückkehr ihres Herrn und trotteten leise von dannen, als Seregil und Alec dem verletzten Micum über die Treppe in Seregils Zimmer hinaufhalfen.
    Bald darauf traf Valerius ein, griesgrämig wie immer, aber unverkennbar bedrückt. Seine finstere Miene wurde noch finsterer, als er Micums Wunde untersuchte.
    »Du hast Glück, überhaupt noch hier zu sein«, rief er aus und rümpfte die Nase. »Wer hat sich um dich gekümmert?«
    »Hauptsächlich Thero«, erklärte Alec dem Drysier. »Er war da, nachdem ihn der Dyrmagnos angegriffen hatte, und er hat ihn auf der ganzen Heimreise betreut.«
    »Wahrscheinlich hat er dir das Bein gerettet, Micum. Auf jeden Fall das Leben. Trotzdem steht uns noch jede Menge Heilarbeit bevor.« Er wandte sich an Seregil und Alec. »Runcer kann mir helfen. Ich schlage vor, ihr beide verschwindet eine Weile.«
    »Ich gehe nicht«, begehrte Seregil mit einem Anflug seines alten Feuers auf.
    »Du hast ihn doch gehört, Seregil. Du wärst bloß im Weg. Raus hier«, sagte Micum vom Bett aus und schaffte es, dabei einigermaßen fröhlich zu klingen. »Komm mich morgen früh besuchen.«
    »Los doch«, bekräftigte Alec die Aufforderung und ergriff Seregils Arm. »Nach der langen Zeit auf See könnte ich einen Spaziergang brauchen.«
    Valerius schloß hinter ihnen die Tür. Einen Augenblick starrte Seregil mit grimmigem Blick und zusammengepreßten Lippen darauf, dann folgte er Alec wortlos hinunter.
    Seit dem Tag, an dem Nysander gestorben war, trug Seregil kein Schwert mehr, Alec aber gurtete sich rasch das seine um, bevor sie hinaus in den kühlen Frühlingsabend traten. Seit seiner Entführung war der Lithion in den Nythin übergegangen, und der Duft blühender Bäume erfüllte die Luft.
    Die beiden trugen immer noch ihre groben Reisegewänder, und da das Schwert ohne den Schutz eines Umhangs an Alecs Bein hing, fürchtete er kurz, die Stadtwache könnte sie aufhalten, um zu fragen, weshalb zwei derart merkwürdig gekleidete Fremde durch die Straßen des Adelsviertels eilten.
    Doch bald übernahm Seregil die Führung und schlenderte durch ärmlichere Hinterhöfe und Seitengassen. Er hinkte noch ein wenig, schien es aber nicht zu bemerken, während er schweigend voranging. Unterwegs kamen sie an Lazardas Freudenhaus zur Schwarzen Feder vorbei. Die Tür stand offen, und als Alec hineinspähte, sah er, daß der geschnitzte Kahn auf dem Kaminsims nach Westen zeigte – ein Zeichen, daß für die Katze von Rhíminee eine Botschaft hinterlassen worden war. Sofern es auch Seregil auffiel, schenkte er dem keine Beachtung, und sie zogen weiter wie Gespenster durch die vertrauten Schatten ihrer Stadt.
    Erst als die schmale Sichel des Mondes hoch über den Häusern stand, brach Seregil sein Schweigen. Unvermittelt hielt er in einem unkrautüberwucherten Hinterhof inne und wandte sich Alec so ansatzlos zu, als steckten sie mitten in einer angeregten Unterhaltung.
    »Weißt du, er glaubt, daß er sterben könnte«, meinte er, das Gesicht halb in den Schatten verborgen. Der Teil, den Alec sehen konnte, glich einer Maske des Elends.
    »Micum? Das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete Alec und fügte wenig überzeugt hinzu: »Valerius hätte uns gewiß nicht weggeschickt, wenn es so schlecht um ihn stünde.«
    »Ich glaube nicht, daß ich es ertragen könnte, auch noch ihn zu verlieren«, murmelte Seregil und verriet dabei mehr Gefühle als seit Tagen. Doch bevor Alec etwas erwidern konnte, war er bereits wieder in westlicher Richtung losmarschiert.
    Einige Blöcke gingen sie schweigend weiter, bevor Alec erkannte, wohin sie schon die ganze Zeit unterwegs waren.
    Ein versengter Messinghahn war noch übrig und bewachte das Hoftor; die erhobene Klaue war leer. Jenseits der niedrigen Mauer befand sich lediglich ein klaffendes Fundamentloch voll verkohltem Holz. Alles war verbrannt – die Herberge, die Stallungen, das Holztor zum Hinterhof. Der schale Gestank regengetränkter Asche hing in der Luft.
    »O Illior!« flüsterte Alec voller Bestürzung. »Ich wußte, daß es in Flammen aufgegangen war, aber …«
    Seregil schien gleichermaßen betroffen.
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