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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Autoren: Lynn Flewelling
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zu ihm herüberschaute, nahm der Zorn Überhand. Es war ein Blick, mit dem man einen Feind bedachte.
    Oder einen Fremden.
    »Warte …!« rief Seregil, doch Alec schenkte ihm keine Beachtung. Er grub die Fersen in Patchs Flanken, preschte auf Seregil zu und stürzte sich auf ihn, bevor er das eigene Pferd aus dem Weg lenken konnte. Die Tiere stießen zusammen; Cynril bäumte sich auf und schleuderte Seregil ins Wasser. Alec sprang aus dem Sattel und watete ebenfalls hinein. Dann packte er Seregil vorne am Kittel, zerrte ihn auf die Knie und schüttelte seinen zerknirschten Freund.
    »Was sollte das denn werden?« gellte er. »›Alles, was ich in Rhíminee besitze, gehört jetzt dir‹? Was soll das?«
    Seregil rappelte sich auf die Beine und riß sich los, ohne Alec in die Augen zu schauen. »Nach allem, was geschehen ist …« Er brach ab und holte tief Luft. »Nach alldem habe ich beschlossen, daß es für alle besser ist, wenn ich einfach fortgehe.«
    »Du hast beschlossen? Du hast beschlossen?« Fuchsteufelswild packte er Seregil mit beiden Händen und schüttelte ihn abermals. Das zerknitterte Pergament trieb über den Teich und blieb kurz an einem Stein hängen, dann wurde es von der Strömung erfaßt und unbeachtet davongetragen. »Ich bin dir über die halbe Welt nach Rhíminee gefolgt, und zwar nur deshalb, weil du mich darum gebeten hast! Ich habe dir zweimal das verdammte Leben gerettet, bevor wir überhaupt dort ankamen, und wie oft seither? Ich habe mit dir gegen Mardus und die ganze verfluchte Bande gekämpft. Aber jetzt, nachdem du den ganzen Sommer mit einer Jammermiene herumgerannt bist, beschließt du, daß du ohne mich besser dran wärst?«
    Farbe flammte in Seregils ausgemergelten Zügen auf. »Ich habe nie gewollt, daß du es so auffaßt. Bei Bilairy, Alec, du hast doch gesehen, was im Jungen Hahn passiert ist. Das war meine Schuld. Meine! Und es ist ausschließlich Ashnazais verschrobener Eitelkeit zu verdanken, daß du nicht auch dann und dort gestorben bist. Micum, falls du es nicht bemerkt hast, ist für den Rest seines Lebens ein Krüppel und kann von Glück reden, überhaupt noch am Leben zu sein. Hast du eine Ahnung, wie oft ich ihn vorher schon fast in den Tod gerissen hätte? Und Nysander – vergessen wir bloß nicht, was ich ihm angetan habe!«
    »Nysander hat mich geschickt!«
    Seregil wurde aschfahl. »Was sagst du da?«
    »Nysander hat mich dir nachgeschickt«, wiederholte Alec. »Ich weiß nicht, ob es ein Traum oder ein Geist oder sonstwas war, aber er hat mich geweckt und gesagt, ich soll dir nachgehen. Bei Illiors Händen, Seregil, wann wirst du dir endlich verzeihen, daß du nur das getan hast, worum er dich gebeten hat?« Er verstummte, als ihm ein weiterer Gedanke einfiel. »Wann wirst du Nysander endlich verzeihen?«
    Wortlos funkelte Seregil ihn an, dann stieß er die Hände des Jungen weg. Er watete zum Ufer und sank auf einen Holzklotz, der auf den Teich hinaus wies. Alec folgte ihm und setzte sich neben ihm auf einen Stein.
    Seregil ließ den Kopf hängen und stieß zittrig die Luft aus. Nach einer Weile erklärte er: »Er hat es gewußt. Er hätte es mir sagen müssen.«
    »Dann hättest du versucht, ihn davon abzuhalten.«
    »Verdammt richtig, das hätte ich!« brauste Seregil auf und ballte die Hände auf den Knien zu Fäusten. Tränen der Wut, die ersten, die Alec ihn vergießen sah, strömten über seine Wangen.
    »Hättest du das getan, hätten wir versagt«, gab Alec zu bedenken und rutschte neben ihn auf den Holzklotz. »Alles, wofür Nysander gearbeitet hatte, wäre umsonst gewesen. Der Helm hätte von ihm Besitz ergriffen und ihn zum Vatharna gemacht.« Einen Lidschlag lang vermeinte Alec, abermals die Berührung des alten Magiers an den Fingern zu spüren. »Ich glaube, er ist dir dankbar.«
    Seregil vergrub das Gesicht in den Händen und ergab sich schließlich einem leisen Schluchzen. Alec schlang den Arm um ihn und hielt ihn fest. »Du warst der einzige, der ihn genug geliebt hat, um nicht zu zögern, als die Zeit reif war. Das wußte er. Letzten Endes hast du ihn auf die einzig mögliche Art gerettet. Warum willst du das nicht endlich begreifen?«
    »All die Wochen …« Hilflos zuckte Seregil mit den Schultern. »Du hast recht, mit allem. Aber warum fühle ich es einfach nicht? Ich fühle überhaupt nichts mehr. Ich stolpere in einem schwarzen Nebel umher. Wenn ich den Rest von euch anschaue, dann sehe ich, wie eure Wunden heilen, wie ihr weiterlebt. Das
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