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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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I
    Sonnenglast flimmerte über dem Land.
    Der Fluß wälzte sich träge durch die Ebene, wie gelähmt von der brütenden Hitze. An seinem rechten Ufer zog sich das Gleis einer Einspurbahn dahin, sein linkes Ufer wurde durch eine breite, von Büschen eingefaßte Straße gesäumt.
    Die Straße war von windschnittigen Fahrzeugen belebt. Lautlos eilten sie auf einen gleißenden Fleck zu, der am Flusse hing wie ein Edelstein an einer Halskette und sich aus der Nähe als eine durchsichtige Kugel von riesigem Umfang erwies. Darunter lag Atomos, die Stadt der jungen Wissenschaftler.
    Weit vor der Stadt verschwanden Bahn und Straße unter der Erde. Die Bahn unterquerte die Stadt und berührte mehrere Bahnhöfe. Die Straße verzweigte sich zu einem unterirdischen Netz, das drei Stockwerke bildete und durch Aufzüge und Rolltreppen mit der Oberfläche verbunden war.
    Unter der Kuppel ging der Verkehr zu Fuß. Hier gab es nur Promenaden und ein System gleitender Wege.
Es war Mittagszeit.
Aus den hohen Kunststoffhäusern und aus den Aufgängen der unterirdischen Stationen ergoß sich eine gemächlich dahinströmende Menge. Sie bewegte sich die breiten Hauptwege entlang, verlor sich in Seitenwege und Parkanlagen, staute sich an den Schaufenstern der großen Magazine und verteilte sich auf Gaststätten und Klubs.
Im neunten Stock eines Hauses am großen Park saß eine junge Frau am Schreibtisch. Sie blätterte in einer dicken Magnethaftmappe, die Elektrokopien enthielt. Hier und da schrieb sie Notizen auf den Rand.
Obwohl es im Raum angenehm kühl war, fuhr sie sich mehrmals über die Stirn, als müsse sie Schweiß abwischen.
Jetzt schien sie gefunden zu haben, was sie suchte. Sie lehnte sich zurück und las das Blatt, das sie der Mappe entnommen hatte, aufmerksam durch. Schließlich erhob sie sich und ging nachdenklich auf und ab.
Sie war schlank und bewegte sich mit Anmut. Dunkles Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Einige Haarfransen, mutwillig in die hohe Stirn gezupft, lösten die Strenge des ebenmäßigen Gesichts. Aus ihrem Blick sprach Zurückhaltung; geschwungene Augenbrauen und leicht betonte Wangenbeine gaben ihrem Gesicht einen fraulichen Ausdruck, zu dem das energische Kinn einen reizvollen Gegensatz bildete. Die junge Frau trug ein Kleid aus einem metallisch glänzenden Gewebe, das bei jeder Bewegung seine Farbe veränderte.
Noch einmal blickte sie auf die Kopie. Dann trat sie an ein schreibtischartiges Gerät und drückte auf einige Tasten, die Ziffern trugen. An der Wand leuchtete eine Schrift auf. »Zentralarchiv der Region Europa – Mitte. Bitte gedulden Sie sich einen Augenblick!«
Die junge Frau setzte sich und trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die Platte des Bildfernsprechers.
Ihr Blick wanderte durch das Zimmer. Es erschien weiträumiger, als es war, denn es wurde durch keine großen Möbel eingeengt. Mehrere Polstersessel, die sich mit einem Griff zu Liegen verstellen ließen, ein niedriger Tisch, eine Leseecke mit zwei weiteren Sesseln, eine große Vase mit blühenden Zweigen und Blumengehänge an den Wänden neben duftigen Aquarellen, das ließ genügend Raum, sich ungehindert zu bewegen. Hinter den Glasscheiben eingebauter Schränke leuchteten die bunten Rücken von Mikrobuchkassetten, und einzelne Kunstgegenstände verrieten den Geschmack der Besitzerin. Auch die Türen störten die Harmonie des Zimmers nicht; ihr Bezug hob sich angenehm vom Farbton der Wände ab.
Endlich verblaßten die Worte auf dem Bildschirm. Der Kopf eines älteren Mannes wurde sichtbar.
»Guten Tag, Vena Rendhoff!« sagte er und nickte ihr freundlich zu. »Was soll es denn heute sein?«
Die junge Frau erwiderte den Gruß. »Die nächsten Jahrgänge der Kybernetischen Zeitschrift.«
»Haben Sie denn die Jahrgänge bis neunzehnhundertzweiundneunzig schon durchgearbeitet? Sie legen ein Tempo vor…«
»In einem Jahr möchte ich meine Arbeit abgeschlossen haben – und dreihundert Jahrgänge liegen noch vor mir!«
Der Archivar schüttelte den Kopf und lächelte gutmütig. »Ach, ihr jungen Leute habt das ganze Leben noch vor euch, tut aber so, als…«
»Es geht mir vor allem um das hier.« Sie hob die Kopie empor, die sie der Mappe entnommen hatte. »In der Oktobernummer des Jahrgangs neunzehnhundertzweiundneunzig befindet sich ein Hinweis auf kybernetische Anlagen. Sie sollten für ein Raumschiff verwendet werden, das seinerzeit… Hier: für die Kosmos, das erste Raumschiff mit Photonentriebwerk! Sie haben doch die
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