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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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Raiger besaß diesen Nachweis sowohl als Physiker wie auch als Biologe, in zwei Disziplinen also, sie aber erst auf dem Gebiet der Mathematik. Ihr kam ein Gedanke. War er etwa eifersüchtig auf ihre Arbeit? Sie sah ihm in die Augen.
Er lächelte noch immer. »Diese hungrigen Blicke…« Sie stutzte. »Jetzt weiß ich auch, weshalb mir so flau ist. Von wegen überarbeitet! Ich habe doch glatt das Mittagessen vergessen.«
»Das trifft sich wunderbar«, sagte er. »Ich könnte nämlich schon wieder eine Portion vertragen.«

II
    Im Speiseraum des Klubs schwebten elektronische Klänge, unaufdringlich leise und doch voll und klar. Die ausgeklügelte Akustik dämpfte die vielen Stimmen derart, daß man vom Nachbartisch allenfalls ein unverständliches Flüstern vernahm. Die Musik dagegen drang in alle Winkel des Raumes, überdeckte die Gespräche und umgab jeden Tisch mit einer unsichtbaren Wand. Man fühlte sich einbezogen in die große Familie der Wohngemeinschaft und konnte sich doch ungestört unterhalten.
    Vena und Raiger wählten einen Tisch an der gläsernen Stirnseite des Saales, von dem aus sie auf den Park blicken konnten.
    »Bitte!« Raiger drehte die Leuchttafel in der Mitte der Tischplatte zu ihr herum.
Venas Finger fuhr an der langen Reihe der Gerichte entlang und drückte schließlich auf die Taste »Tagesgedeck«. Raiger wählte weniger lange.
Minuten später öffnete sich ein Geviert in der runden Tischplatte, und aus dem Schacht hoben sich zwei Tabletts. Für Vena Krakensuppe, getrüffelte Schinkenröllchen mit Chlorellagemüse und Mehlfrüchten, Nußgelee. Raiger schüttelte den Kopf und wies auf seine kleine Menüplatte. »Wie bescheiden bin ich doch!«
»Du kannst gut bescheiden sein«, sagte sie. »Weiß ich, was du vorhin gegessen hast?«
»Na ja, bei meinem Körperbau…«
»… wäre das Vierfache noch bescheiden, ich weiß!« Sie lachte. »Deine Sorgen um meine Figur möchte ich haben.«
»Sind es nicht… meine Sorgen?«
Sie aßen schweigend. Vena musterte ihn hin und wieder verstohlen. Ob sie ihm doch von der Kosmos erzählte?
Sie hatten sich auf einem Kongreß kennengelernt, vor fünf Jahren. Vena erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. Als die Diskussionsredner das Für und Wider wissenschaftlicher Thesen erwogen, stieg der Physiker Raiger Sajoi auf das Podium. Es war ein Genuß, ihm zuzuhören. In geschliffener Rede zerpflückte er die Argumente und schied die Spreu vom Weizen. Seine Art begeisterte sie.
Vena und Raiger kamen in denselben Ausschuß. Sie fanden Gefallen aneinander und gingen abends gemeinsam aus. Ihre Bekanntschaft gaben sie nicht wieder auf. Vena arbeitete in Europa, Raiger jedoch in Australien. Wenn man auch den asiatischen Kontinent mit Stratosphärenkreuzern in einer Frist überspringen konnte, die früher kaum gereicht hätte, um mit der historischen Eisenbahn von Dresden nach Berlin zu kommen, wenn sie sich auch über Bildfernsprecher jederzeit zu sehen vermochten, so war ihnen die Entfernung doch bald zu groß. Sie beschlossen, dem abzuhelfen.
Vena mochte Europa nicht verlassen. Ihr Vater war mit einer Expedition im All verschollen. Ihre Mutter, eine bekannte Ärztin, hatte daraufhin Astromedizin studiert, um Vaters Platz einzunehmen. Vor zehn Jahren war sie mit einer Raumexpedition gestartet, die erst in einigen Menschenaltern zur Erde zurückkehren würde. Daher blieb Vena nur Onkel Maro, ein guter Freund ihrer Eltern. Er hatte sich um sie gekümmert, wenn Vater unterwegs war und wenn Mutter der Beruf wenig Zeit für die Tochter ließ. Als Vater nicht mehr zurückkehrte, hatte Vena sich enger an ihn angeschlossen.
Raiger, der in Australien keine solchen Bindungen hatte, kam nach Europa. Seither wohnten sie zusammen und vermochten sich nicht vorzustellen, daß einer ohne den anderen auskommen könne.
Mißstimmungen zwischen ihnen gab es erst, seitdem sich Vena mit historischen Studien befaßte. Sie spürte, daß es in Raigers Gedanken Tiefen gab, die sie nicht ausloten konnte.
Nahm er sie ernst? Als Frau schon – aber auch als Wissenschaftlerin?
Raiger bemerkte ihre forschenden Blicke und ließ das Besteck sinken. »Noch nicht besser? Vielleicht hast du’s doch mit dem Magen? Wollen wir nicht lieber zum Arzt gehen?«
Sie war unschlüssig. Ob sie es ihm doch erzählte – gleich jetzt? Raiger, ich liebe Klarheit zwischen uns, deshalb möchte ich dir sagen… Wenn sie so begänne – bestimmt gelänge es ihr, sein Verständnis zu wecken.
»Raiger…«
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