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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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Besteckklappern im festlich geschmückten Saal. Hohe Glaswände, spiegelndes Parkett, ein Meer von Blumen und ein Modell von Wostok I. Es war rührend altmodisch. Ein Mann in graublauem Kosmos-Anzug erhob sich und trat zum Podium. Er lauschte einen Augenblick auf das Rauschen der Fontänen im Saalmittelpunkt, packte mit beiden Händen die Pultplatte und beugte sich vor.
»Meine verehrten Damen und Herren! Teure Genossen!« rief er in das erwartungsvolle Schweigen der Menschen. »Wir haben uns heute versammelt, um Abschied zu nehmen, Abschied für immer!«
Vena lauschte gebannt. Das war der Leiter jener Expedition.
»Vieles von dem, was Sie heute beginnen, werden wir bei unserer Rückkehr vollendet finden, vollendet von Ihren Urenkeln.«
Ein eigenartiges Gefühl, einen Menschen zu hören, der von einer Zukunft sprach, die für den Zuhörer längst Vergangenheit war.
»… und hoffen, daß es uns vergönnt ist, mit vollen Händen zurückzukehren und durch unseren Flug zur weiteren menschlichen Entwicklung beizutragen.«
Vena sah die Männer in die Zubringerrakete steigen, die sie zur Weltraumstation beförderte, erlebte ihre ersten Schritte auf der Kosmos und schließlich ihren Start ins All. Kleiner wurde das mächtige Projektil, immer mehr schrumpfte es zusammen und verging schließlich in den unermeßlichen Weiten.
Der letzte Streifen war ausgelaufen. Der Bildschirm erlosch. Es überraschte sie. Und die Rückkehr?
Der Archivar freute sich über ihren Anruf. »Haben Sie alles gesehen?«
»War das alles? Ich brauche die Berichte von der Rückkehr. Ich muß doch wissen, wie sich die kybernetischen Systeme bewährt haben.«
»Es gab keine Rückkehr, Vena Rendhoff!«
»Moment mal – dreihundert Jahre… Die Kosmos hätte im Jahre zweitausenddreihundert zurückkehren müssen.«
»Die Kosmos ist verschollen!«
»Was machen vierzig Jahre bei kosmischen Entfernungen aus! Sie kann sich verspätet haben.«
»Theoretisch, ja. Aber da kam eine Rakete, sie stürzte ab. Es muß im Jahre – warten Sie mal…«, er fuhr sich über die Stirn, »im Jahre zweitausendeinhundertsieben- oder - achtundsechzig gewesen sein.«
»Die Kosmos abgestürzt?«
Der Archivar schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Aber die Rakete war von der Kosmos abgesandt worden. Wenn es Sie interessiert, rufe ich Sie aus dem Archiv an und übersende Ihnen den Bericht.«
»Ich bitte sehr darum.«
»Gedulden Sie sich eine halbe Stunde.«
Vena lehnte sich zurück und schloß die Augen.
Bestie Weltall – Tausende waren ihr zum Opfer gefallen, seitdem der Mensch die Fesseln der Erde gesprengt und seinen Fuß auf fremde Planeten gesetzt hatte. Auch Vater hatte sie verschlungen. Und Mutter? Sie jagte einem Planeten entgegen, von dem man ein Signal empfangen… Stand ihr das gleiche Schicksal bevor?

III
    Raiger Sajoi trommelte mit den Fingerspitzen auf die Schreibtischplatte. Den Titel seiner Arbeit hatte er schon: »Die Natur der Gravitonen«. Einfach genial. Und was hatte er noch? Nerven, blödsinnige Nerven! Es war, um aus der Haut zu fahren. In den Schränken häufte sich das wissenschaftliche Material: Experimentalergebnisse und Hypothesen ganzer Forschergenerationen auf Teilgebieten der Gravitation. Aber das Mosaik ergab kein Bild, überall klafften noch Lücken. Was kam da auf ihn zu? Er wollte doch nicht nur eine neue Hypothese aufstellen oder die Gravitonen experimentell nachweisen, sondern einen Weg finden, die Gravitation zu beherrschen! Hatte er sich übernommen?
    Die Unruhe trieb ihn vom Sessel. Er trat ans Fenster und starrte hinaus. Hier stand er mit einem soliden Brett vor dem Kopf, und daheim saß Vena und verlor sich in der Vergangenheit. Das mußte man sich vorstellen: Ein junges, bildhübsches Weib steigt in verstaubte Grüfte, anstatt sich der Zukunft zuzuwenden, etwas Neues zu entdecken. Historische Studien, das war etwas für alte Männer. Für Maro Lohming zum Beispiel, diesen väterlichen Wahlonkel! Kein Wunder, daß er sie noch bestärkte. Lohming hatte ja auch nicht erlebt, wie die Kriegsfilme Vena mitgenommen hatten. In Tränen aufgelöst – Vena! Nicht mehr weit vom Nervenschock war sie gewesen. Und jetzt hockte sie wieder vor dem Schirm!
    Diese dreimal verwünschte Entwicklung der Kybernetik – seitdem Vena sich damit befaßte, gab es Spannungen zwischen ihr und ihm. Vor einer Woche hatte er sie am Bildschirm angetroffen, von da an hatte es keine gemeinsame Mittagsmahlzeit mehr gegeben. Oft war sie unterwegs, wenn er heimkam, oder sie
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