Schattenfeuer
der animalische Teil seines Selbst dominant wurde. Für einige Sekunden konnte er sich wieder daran erinnern, wer er war, in was er sich verwandelt hatte und was mit ihm geschah. Doch er wußte auch, daß diese Restabilisierung nicht lange andauerte, daß er irgendwann in die Graue gleichgültiger Ignoranz zurücksinken würde. Die Metamorphose löste Intellekt und Persönlichkeit immer mehr auf, und seine einzige Hoffnung bestand in endgültigem Tod.
Tod. Über Jahre hinweg hatte sein einziges Ziel darin bestanden, den Tod zu besiegen, aber jetzt sehnte er sich danach.
Während ihn die Flammen bei lebendigem Leib verbrannten, schleppte er sich weiter, dem Schattenfeuer im Wasser entgegen.
Er schrie nicht mehr, verließ die Welt des Schmerzes und der Pein, wandelte durch ein anderes Universum, in dem es nichts weiter gab als nur Einsamkeit und Ruhe.
Eric wußte, daß ihn das brennende Benzin nicht umbringen konnte. Jedenfalls nicht allein. Das Ve ränderungsfeuer in ihm war weitaus schlimmer als die Flammen, die von außen über seinen Körper leckten. Es brodelte immer heißer und heller, in jeder einzelnen Zelle, erzeugte eine Freßgier, die wesentlich intensiver war als alle vorherigen Hungerphasen. Er brauchte dringend Nahrung, Treibstoff für die Metamorphose, Kohlenhydrate, Proteine, Vitamine und Mineralstoffe, um den außer Kontrolle geratenen Metabolismus in Gang zu halten. Aber weil er derzeit keine Möglichkeit hatte, zu jagen, zu töten und zu fressen, weil er kein Fleisch verschlingen und in Energie verwandeln konnte, zehrte sein Körper von der eigenen Substanz. Das Veränderungsfeuer erlosch nicht etwa, sondern verbrannte einige Gewebestrukturen, um andere neu zu gestalten. Mit jeder verstreichenden Sekunde verringerte sich sein Körpergewicht -nicht etwa, weil die externen Flammen Haut und Muskeln auflösten, sondern weil ihn die interne Glut aushöhlte. Er spürte, wie sich sein Kopf verformte, wie die Arme schrumpften und ihm zwei andere Gliedmaßen aus dem unteren Teil des Brustkastens wuchsen. Jede Veränderung ging mit einem Verlust einher, doch die Feuer der Mutation wüteten weiterhin in ihm.
Schließlich war es ihm nicht mehr möglich, noch näher an das Schattenfeuer heranzugelangen, das im Wasser brannte. Eric blieb liegen, keuchte und zuckte.
Zu seiner Überraschung beobachtete er, wie das Schattenfeuer aus dem Wasser herausgleißte und sich ihm entgegenstreckte. Es umhüllte ihn, bis beide Welten in Flammen standen, die äußere ebenso wie die innere.
In der Todesagonie begriff Eric schließlich, daß die mysteriösen Schattenfeuer weder Tore zur Hölle noch bedeutungslose Halluzinationen darstellten, hervorgerufen von fehlerhaft arbeitenden Synapsen in seinem Hirn. Vielmehr handelte es sich um Projektionen des Unterbewußtseins, um Warnungen vor dem gräßlichen Schicksal, auf das er zusteuerte, seit er im Leichenschauhaus von den Toten auferstanden war. Das geschädigte Hirngewebe hatte seine intellektuelle Kapazität von Anfang an beschränkt und entsprechende Erkenntnisse zumindest auf einer bewußten Ebene unmöglich gemacht. Doch das Unterbewußtsein kannte die Wahrheit und versuchte, ihm mit Hilfe der phantomhaften Schattenfeuer einen Hinweis darauf zu geben: Feuer ist dein Schicksal, das unbezähmbare innere Feuer eines hyperaktiven Metabolismus, der dich früher oder später verbrennen wird.
Erics Hals entwickelte sich zurück, bis der Kopf fast übergangslos auf den Schultern saß. Er fühlte, wie sich das Rückgrat zu einem Schwanz verlängerte.
Ein massiver Brauenbuckel reichte weit über die Augen.
Und er merkte, daß er mehr als nur zwei Beine hatte.
Dann spürte er nur noch die Hitze des Veränderungsfeuers, dessen Flammen in alle Winkel seines Körpers leckten, auf der Suche nach den letzten Zellen, die es verbrennen konnte. Erics Bewußtsein sank in die vielen Arten des Feuers.
Fassungslos beobachtete Ben, wie das Eric-Etwas innerhalb einer Minute verbrannte. Die Flammen züngelten immer höher empor, und der abscheuliche Körper schrumpfte, bis auf dem Betonboden des Pools nur ein schmieriger Fleck übrigblieb. Shadway starrte ins Becken, konnte kein Wort hervorbringen. Lieutenant Verdad und Rachael schienen ebenso verblüfft zu sein, denn auch sie gaben keinen Laut von sich.
Schließlich war es Anson Sharp, der das Schweigen brach. Langsam näherte er sich dem Rande des Swimming-Pools. Er hielt eine Waffe in der Hand und erweckte den Eindruck, als wolle er
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