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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition)
Autoren: Susanne Seider
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saßen am Tisch, als Billy die Tür öffnete. Vier Tassen, einige verkrümelte Teller und eine leere Papiertüte zeugten davon, dass sie das Frühstück verpasst hatte.
    »Guten Morgen, Kampfzwerg«, dröhnte ihr Ulrich entgegen, und weiße Rauchkringel stoben dabei aus seinem Mund. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und hielt eine Pfeife in der Hand. Ulrich Liebauer war einer der Kanzleigründer, ein gnadenloser Steueranwalt, dessen hellgraue, stoppelige Haare seine rot glänzende Kopfhaut mehr zierten als verbargen. Er empfing längst eine stattliche Rente, doch die Kanzlei war sein zu Hause. Sein einziger Sohn war laut seinen Worten ein nichtsnutziger Hippie, und seine Ehefrau verbot ihm sowohl seinen Cognac als auch die Pfeife.
    »Gibt es einen schmutzigen Grund für deine späte Ankunft?« Er zwinkerte vergnügt.
    »Ein junger Mann ohne Termin, dafür mit Hammeraugen.« Sie grinste. »Schmutzig genug?«
    »Lass mich raten: Er will seine Eltern verklagen.« Ulrich schmunzelte.
    Billy grinste freudlos zurück. »Vielleicht gewöhne ich mich auch irgendwann daran, dass wir nicht nur für das Recht kämpfen, sondern auch Familien zerstören.«
    »Setz dich!« Tom rückte im Sitzen einen Stuhl zurecht und klopfte auf das Polster.
    »Gleich.« Billy lief zu der automatischen Kaffeemaschine, stellte eine Tasse darunter und drückte den Knopf.
    »Wir planen gerade unseren Betriebsausflug übernächste Woche.« Ulrich musste brüllen, um das Dröhnen der Kaffeemühle zu übertönen. »Verdi in Verona oder wieder eine Fahrradtour?«
    Billy lachte, als sie an die Radtour im letzten Jahr dachte. Nach einer flotten Fahrt ins nahe Elsass hatte es ein ausgiebiges Picknick mit frischem Baguette, diversen Käsesorten und viel zu viel Rotwein gegeben und Billys Erinnerung an die Rückfahrt beschränkte sich auf ein paar unangenehme Fetzen.
    »Verdi wäre mir lieber«, sagte sie, während sie sich mit der Tasse in der Hand setzte. Sie sog den heißen Dampf in ihre Nase, bevor sie einen Schluck nahm. Es pochte kurz an der Tür, dann schob Laura ihren Kopf herein und funkelte Billy angriffslustig an.
    »Nochmal: Diese Frau Winkler ruft alle zwanzig Minuten an. Würden Sie bitte zurückrufen?« Das >Bitte< klang verächtlich. »Ich bin nicht nur für Ihr Telefon zuständig.«
    »Haben Sie die Akte rausgelegt?«, fragte Billy.
    »Es ist privat. Sie sagt, sie sei eine Freundin.«
    Billy runzelte die Stirn. Sie hatte keine Freunde mehr, seit sie vor dreizehn Monaten ihren Mann und ihr restliches Leben in Stuttgart zurückgelassen hatte. Laura hob erwartungsvoll die Augenbrauen.
    »Ich komme«, gab Billy nach und trank mit einem Schluck ihre Tasse leer. Laura verschwand, ohne die Tür zu schließen.
    »Lass dich nicht hetzten, Kampfzwerg«, lachte Ulrich.
    »Ich muss ohnehin arbeiten. Ich habe später noch einen Termin im Landgericht.« Sie winkte kurz und ging wortlos an Laura vorbei in ihr Büro. Es lag direkt hinter dem Raum der beiden Assistentinnen und Billy hörte hier jedes Wort, das im Vorraum gesprochen wurde. Dafür bot das Fenster, das bis hinauf zur Decke reichte, einen unterhaltsamen Ausblick auf den Emmendinger Marktplatz.
    Die ungeöffnete Post lag durcheinander auf ihrem Schreibtisch und Billy sah in Gedanken Laura, wie sie unmutig die Umschläge auf Billys Arbeitsfläche warf.
    Billy nahm einen der oberen Umschläge in die Hand, las den Absender, versuchte sich zu erinnern, um welchen Fall es dabei ging, und ließ ihn wieder sinken. Ihre Augen wanderten hinaus auf den Marktplatz. Zwei Obdachlose saßen auf einer Bank und hatten die Köpfe gesenkt, als würden sie schlafen, und zahlreiche Passanten mit Einkaufstaschen hasteten unter ihr vorbei.
    Laura stieß die Tür auf, trampelte über die Dielen und knallte einen weiteren Stapel ungeöffneter Post auf ihren Tisch. Oben lag ein Zettel mit einem Namen und einer Nummer.
    »Rufen Sie endlich diese Frau Winkler an. Sie wollte unbedingt Ihre private Telefonnummer. Und ich fragte sie, warum sie diese nicht hat, wenn sie doch eine Freundin sei.« Laura holte geräuschvoll Luft und zeigte auf den Zettel. »Wenn sie noch einmal anruft, werde ich ihr Ihre Handynummer geben.«
    »Ist gut. Lassen sie mich alleine, ich erledige das.«
    Nachdem Laura zu ihrem Platz zurückgekehrt war, warf Billy einen Blick auf den Zettel.
    Tamara Winkler.
    Es dauerte einen Moment, bis sie begriff. Mit Daumen und Zeigefinger presste sie ihre Lippen zusammen und starrte auf den Namen, als
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