Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
wisperte er dem Leibwächter wieder etwas zu, und dieser schrie: »Mein königlicher Bruder will sich ungern von diesem Schmuck trennen. Aber er verspricht, ihn euch zurückzugeben, wenn ihr euer Schiff von der Quelle fernhaltet und euch zurückzieht. Ihr weckt den Zorn der Woge und stört unser Fortkommen …«
    »Hört, hört«, raunte Mäulchen. »Aber wohin ist der König denn unterwegs?«
    »Wenn ihr nach Venetor zurückkehrt, wird er euch dort den Turmbinder übergeben«, fuhr der Gyraner fort. »Ihr habt darauf sein Wort; er schwört es im Namen des Sturmgottes Gharjor, dessen Nachfahre er ist.« »Ich pfeife auf seinen Sturmgott«, brüllte Parzer empört.
    »Entweder er gibt ihn uns hier und jetzt, oder wir schauen genüßlich zu, wie ihr untergeht und euch ein Siebenzahn in Stücke reißt.«
    Die Galeere der Gyraner wurde vom Sog der Quelle wieder herumgeschleudert. Tarnac entschwand ihren Augen, und nun sahen sie die schwarzen Ruder, die wie Widerhaken von der Galeere abstanden. Sie senkten sich ins Wasser; der König hatte offenbar seine Leute zur Ordnung gerufen, denn die Galeere trieb nun rasch von der
Hotteposse
weg.
    »Er will uns abhängen«, zeterte Parzer. »Jetzt gilt's! Jagt ihm hinterher, Prasser.«
    Schalim schüttelte den Kopf, und seine dunklen Locken flogen umher. »Um nichts in der Welt! Die Quelle würde mein altes Mädchen zu Treibholz zerlegen. Wir dürfen uns nicht näher heranwagen …« »Unsinn! Wenn sie es bis hierher geschafft hat, hält die
Hotteposse
auch diesen Ritt noch aus.« Parzer schwenkte mit den Armen, um die Ruderer anzutreiben. »Los! Ziiiiiiieht!«
    Der Prasser stieß einen knurrenden Laut aus. Dann schnappte er nach Parzers Beinen, wollte den Fischer umwerfen, der ihm die Kapitänswürde streitig machte. Doch flugs sprang Mäulchen herbei und hielt Schalim ein Messer an die Kehle, das sie aus ihrem Stiefel gezogen hatte.
    »Schluß jetzt mit den Spielchen, Prasser. Wer sich mit den Fischern aus Rhagis abgibt, darf nicht im letzten Augenblick kneifen. Wir brauchen das Armband, koste es, was es wolle.«
    »Wie könnte ich einer so reizbaren Dame diesen Wunsch abschlagen?« würgte Schalim hervor und ließ Parzers Beine los. »Also dann … auf ins Unglück. Ich hätte mir einen würdigeren Abgang für mein Schiff ersehnt.« Wie zur Bestätigung ging ein Knirschen durch die
Hotteposse,
als sie sich in Bewegung setzte. Nach wenigen Ruderschlägen nahm sie volle Fahrt auf, trieb in das grüne Feuer der Quelle. Sofort griff die Woge der Trauer nach dem Schiff, schleuderte es umher. Parzer verlor den Halt, fiel dem Prasser in die Arme, während die
Hotteposse
pfeilschnell durch das Wasser jagte.
    »Haltet auf die Gyraner zu«, jubelte Mäulchen. »Los, ihr faulen Kerle, nicht müde werden!« Das wurmstichige Holz der Bordwand fing Feuer; dunkler Rauch stieg auf, schränkte ihre Sicht ein. Dennoch sahen sie vor sich die Galeere; sie bewegte sich nicht mehr. Die schwarzen Ruderblätter hingen tief im Wasser, und dort zischte und brodelte es. Schlamm wurde vom Grund aufgewirbelt, färbte das Wasser braun und erstickte die Flammen.
    »Ziiiiieht«, krähte Parzer aus voller Kehle.
    Die Woge der Trauer brandete mit voller Wucht gegen ihr Schiff, drückte die
Hotteposse
nach vorne. Die Männer ließen die Ruder fahren, duckten sich, hielten sich an der Bordwand fest.
    Dann rammten sie die Galeere. Die Nase der
Hotteposse
bohrte sich in ihre Seitenwand. Holz splitterte. Einer der Masten gab nach, krachte auf das nutzlose Steuerrad. Auf dem anderen Schiff hörten sie die entsetzten Rufe der Gyraner, die mit diesem Angriff nicht gerechnet hatten; und nun drohten beide Schiffe zu kentern, sackten tiefer und tiefer, während rings um sie das Rauschen der Quelle verebbte.
    Ungeld zog sich an der Reling empor und spähte über Bord. Er riß die Augen auf, faßte sich an die Stirn, und sein Turban rutschte ihm vom Haupt.
    »Der See … wo verflucht noch mal ist der See?«
    Parzer und Mäulchen hoben ebenfalls die Köpfe. Auch ihnen verschlug es den Atem. Denn Velubar war verschwunden! Rings um die beiden Schiffe, die sich ineinander verkeilt hatten, lag festes Land - feuchter dunkelbrauner Lehm, in dem an einigen Stellen Pfützen standen, wie auf einem Acker nach starkem Regen. Und über ihnen waberte ein Nebel, kühler Dunst, der sich plötzlich um sie gebildet hatte.
    Nun wußten sie, welches Ziel die Galeere angesteuert hatte. Sie waren Tarnac dem Grausamen an einen Ort gefolgt, von dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher