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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch
Autoren: Markolf Hoffmann
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brennt Feuer und Flamme für Euch, dafür habe ich gesorgt. Ein paar süße Worte in ihr Ohr gewispert, und schon hat das einfältige Ding geglaubt, Ihr wäret der Mann, den die Götter für sie auserwählt hätten. Bestimmung, Schicksal, Vorhersehung … Es war leicht, ihre Leidenschaft zu entfachen so wie Mondschlund es mir befahl.«
    »Mondschlund oder Sternengänger«, sagte Baniter scharf. »Oder beide zugleich? Wer ist es wirklich, der Euch diese Befehle zuflüstert?«
    Der Baumeister stieß einen Schrei der Entrüstung aus. Auch Sai'Kanee war sichtlich empört. »Eure Frevelworte helfen Euch nicht weiter! Sardresh hat viel zu lange gezögert, Euch hierherzubringen. Nun werde ich nachholen, was er versäumte.« Sie hob den Stab. »Ein letztes Mal, Fürst Baniter - erweckt die Stadt, so wie es Euch bestimmt ist. Denn sonst muß ich Euch dazu zwingen, und das wäre für einen so stolzen Mann sehr erniedrigend.«
    Baniter zögerte. Er betrachtete das Buch in seiner Hand. Dann fiel sein Blick auf den jungen Mann, der bisher schweigend hinter Sai'Kanee gewartet hatte. Rot glühte sein Körper, grellgelbe Adern glommen unter der Haut, und in den Augen brannte das Feuer. Plötzlich wußte der Fürst, wer er war.
    »Nhordukael«, platzte es aus ihm hervor. »Du bist Nhordukael!«
    Der Mann nickte. »Ich erinnere mich an Euch, Fürst Baniter. Wir begegneten uns nur einmal, in einer Sitzung des Thronrats.«
    »Ja … es war, bevor das Volk dich zu ihrem Auserkorenen ausrief.« Er runzelte die Stirn. »Aber warum bist du hier? Warum bist du in das Verlies der Schriften herabgestiegen?«
    Nhordukael schwieg einen Augenblick. »Ich wollte verstehen, was Mondschlund mit dieser Welt vorhat - dies war der eigentliche Grund. Nun weiß ich es. Die Stadt, die er ans Tageslicht bringen will, verabscheue ich ebenso wie Ihr. Doch ich kann es nicht verhindern. Das könnt nur Ihr.« Seine Stimme wurde leiser. »Laßt es nicht zu, Baniter. Lest nicht in diesem Buch!«
    Sai'Kanee fuhr zu ihm herum. »Er wird es tun! Jeder von uns muß seine Pflicht erledigen - du in der Sphäre und Baniter hier im Verlies! So ist es vorherbestimmt!«
    Sie holte zu einem plötzlichen Schlag aus. Der Stab traf Baniters Brust. Der Fürst wurde gegen die Mauer geschleudert; und diese gab nach. Baniter schrie auf, als er in das schwarze Metall einsank; sein Körper wurde verschluckt, nur die Hände und der Kopf ragten noch hervor. Und während Sardresh in ein Kichern ausbrach, öffnete sich das Buch, das Baniter umklammert hielt. Der Fürst wehrte sich, versuchte sich aus dem schwarzen Schlüssel zu befreien; doch der Bann war zu stark. Seine Augen fielen auf die Luchsschrift, deren goldene Zeichen im Buch aufglommen.
    Dann hob er die Stimme.
    Und las.
    Seine Lippen bewegten sich, er wisperte und raunte unverständliche Worte. Sie entstammten einer fremden Sprache - die Sprache der Magie, der Sphäre, die zuletzt vor Jahrtausenden auf Gharax erklungen war. Der Himmel verdunkelte sich. Tiefschwarze Finsternis … für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen, und Baniter verstummte. Dann aber fuhr er fort, und der Himmel zerrrrrissssss. Nun waren Sterne zu sehen. Ein dunkler Nachthimmel, gefärbt von einem gelben Mond. Wolken schoben sich über die erwachte Stadt; und Wind kam auf, blies durch die Straßen, wehte durch das verfilzte Haar des Baumeisters und ließ Sai'Kanees goldbestickten Mantel tanzen Sie blickte triumphierend auf Nhordukael herab. »Die siebte Nacht … nun hat Mondschlund gesiegt!« Nhordukael hatte die Wandlung schweigend mit angesehen. Nun wanderte ein Lächeln über seine Lippen. »Dies war ein großer Fehler, Sai'Kanee. Hätte der Fürst freiwillig die Schrift gelesen und die Stadt somit erweckt, dann wäre Mondschlunds Sieg vollkommen. Doch einen solchen Zauber kann man brechen, das weißt du nur zu gut.« »Lächerlich! Wer sollte dazu in der Lage sein? Du etwa?« Sie lachte auf.
    Nhordukael warf einen letzten Blick auf die Mauer. Baniters Hände zuckten noch, hielten das Buch fest im Griff; und er las, las zwischen den Zeichen der Luchsschrift, seine Stimme heiser, seine weitaufgerissenen Augen auf das Buch geheftet.
    Nun fiel Nhordukael ihm ins Wort. Er rief nach der Quelle, die ihm so vertraut war - nach dem Auge der Glut. Und nun, da die Stadt aus dem Untergrund hervorgebrochen und sich von den Fesseln des Verlieses befreit hatte, hörte der Brennende Berg seinen Ruf, antwortete ihm mit einem Knistern und Prasseln.
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