Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
deinen schwulen Freund gekümmert.»
    Jeffrey zuckte bei dem Wort zusammen, und das entging Hoss nicht.
    «Genau», sagte Hoss. «Wie würde es dir gefallen, wenn ich rumerzähle, dass du und Robert mehr wart als Freunde?»
    Jeffrey lachte schnaubend.
    «Wer weiß», fuhr Hoss fort, «vielleicht stimmt es.»
    «Natürlich.»
    «Zwei warme Brüder», höhnte Hoss, doch er hörte sich verzweifelt an. «Willst du, dass es die ganze Stadt erfährt? Vielleicht sollte man auch deinem Daddy im Knast Bescheid sagen.»
    «Sie können es meinem Daddy bald persönlich übermitteln, Sie mieser alter Drecksack.»
    «Pass auf, was du sagst.»
    «Oder was?»
    «Ich hab dich beschützt!», schrie Hoss. «Glaubst du, dein Vater hätte das für dich getan? Glaubst du, der Bastard hätte dir geholfen?»
    Jeffrey schlug mit den Fäusten auf den Tisch. «Ich wollte Ihre Hilfe nicht!»
    «Du hattest sie aber bitter nötig!», schrie Hoss zurück. Blut tropfte aus seiner Nase, doch er schrie, bis sein Gesicht zornrot war. «Ich hab dich großgezogen, Junge! Ich hab dich zu dem Mann gemacht, der du heute bist!»
    Jeffrey zeigte mit dem Daumen auf seine Brust. «
Ich
habe mich zu dem Mann gemacht, der ich heute bin. Und Sie haben es nicht verhindern können.» Es widerte ihn an, so nah vor Hoss zu stehen. «Ich habe Sie für einen Gott gehalten. Sie waren genau so, wie ich werden wollte.»
    Hoss’ Lippen zitterten, er schien Jeffreys Worte als Kompliment auffassen zu wollen.
    Jeffrey drückte sich klarer aus: «Sie haben sich an einem Kind vergangen. Sie haben einem Kind die Mutter genommen.»
    «Das habe ich   –»
    «Sie kotzen mich an», sagte Jeffrey und ging zur Tür.
    Hoss stützte sich mit der Hand auf den Tisch, als hätte er keine Kraft mehr. «Geh nicht so, Slick. Bitte.» Er klangverzweifelt. «Was wirst du sagen? Was wirst du den Leuten sagen?»
    «Die Wahrheit», sagte Jeffrey kühl und spürte, wie seine Ruhe zurückkehrte. Was er hier vor sich hatte, war nicht mehr sein Mentor, sein Ersatzvater, sondern ein Verbrecher, ein verlogener alter Mann, der die Menschen zerstörte, die er hätte schützen sollen.
    «Bitte», flehte Hoss. «Das kannst du nicht machen. Du richtest mich zugrunde. Du weißt, was passiert, wenn du rausgehst und   … bitte, Slick. Tu das nicht.» Er machte einen Schritt auf Jeffrey zu. «Da kannst du mir auch gleich die Pistole an die Schläfe halten.» Er versuchte ein müdes Lächeln. «Komm schon, mein Sohn. Schau mich nicht so an.»
    «Sie anschauen?» Jeffrey legte die Hand auf den Türknauf. «Ich ertrage Ihr Gesicht nicht mehr.»
    Obwohl er die Tür nicht hinter sich zuknallte, dröhnte es in seinem Kopf. Sara stand mit fragenden Augen auf.
    Jeffrey wusste nicht, was er sagen sollte. Es gab keine Worte, die ausdrückten, was er fühlte.
    «Alles in Ordnung?», fragte sie. Ihre Sorge fühlte sich besser als alles an, was sie bisher für ihn getan hatte.
    «Er ist zu mir gekommen, als mein Dad verhaftet wurde», erklärte Jeffrey.
    «Hoss?»
    «Ich war in Auburn, kurz vor dem Examen. Ich weiß es noch genau   –» Er brach ab, dachte an das bunte Laub der Bäume an jenem wunderschönen Herbsttag. Jeffrey hatte in seinem Zimmer im Wohnheim gesessen und sich den Kopf zerbrochen, wie er das Geld für die Promotion auftreiben würde, wenn er in Auburn angenommen wurde. Er wollte Lehrer werden, ein ehrenhafter Beruf mit einemgeregelten Einkommen. Er wollte der Welt etwas zurückgeben.
    «Er hat an die Tür geklopft», erinnerte er sich. «Nie mand klopft im Wohnheim an. Die Leute kommen einfach rein. Ich dachte, jemand will mir einen Streich spielen.» Er lehnte sich an die Wand. «Doch er hat geklopft, und schließlich habe ich die Tür aufgemacht, und da stand er mit diesem Blick. Hat mir erzählt, dass mein Vater einen Deal mit der Staatsanwaltschaft gemacht hätte. Dass er seine Freunde verpfiffen hätte, damit er nicht zum Tod verurteilt wird. Weißt du, was er gesagt hat?»
    Sara schüttelte den Kopf.
    «‹Was für ein Feigling.› Dann hat er zu mir gesagt, ich müsse jetzt ein Mann sein, mit dem Vergnügen sei es nun vorbei. Als wäre ich zum Vergnügen aufs College gegangen. Er gab mir die Bewerbung. Hatte sie schon ausgefüllt.»
    «Für die Polizei-Akademie?»
    «Ja», er nickte. «Ich nahm sie und unterschrieb, und das war’s dann.» Zum ersten Mal in seinem Leben fragte sich Jeffrey, was aus ihm geworden wäre, wenn er nein zu Hoss gesagt hätte. Beispielsweise hätte er Sara nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher