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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
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noch nie so rumalbern sehen.»
    «Sie hat rumgealbert?», wiederholte Lena. Sie musste sich verhört haben. Sara war der ernsteste Mensch, den Lena kannte.
    «Rumgealbert», bestätigte Molly. «Wie ein Schulmädchen.» Sie machte einen sauberen Knoten in den zweiten Faden. «Einer noch, glaube ich.»
    «Ich habe Jeffrey nie mit diesen Augen gesehen.»
    «Jeffrey?», fragte Molly überrascht. «Er ist umwerfend.»
    «Wenn du meinst», Lena zuckte die Schultern. «Mit ihm auszugehen, stelle ich mir vor, wie wenn man mit seinem eigenen Vater ausgeht.»
    «Du vielleicht», sagte Molly viel sagend. Noch einmal steckte sie ihr die Nadel durch die Haut und verknoteteden dritten Faden. «Fertig», sagte sie dann und schnitt den Faden über dem Knoten ab. «Alles in Ordnung.»
    «Danke.»
    «Es sollte keine größere Narbe geben.»
    «Mir egal», sagte Lena und streckte die Hand aus. Sie konnte die Finger bewegen, aber sie spürte nichts.
    «Nimm eine Schmerztablette, wenn die Narkose nachlässt. Ich sag Sara, dass sie dir welche geben soll, wenn du möchtest.»
    «Schon gut», wehrte Lena ab. «Sie hat im Moment andere Sorgen.»
    «Es macht ihr nicht aus», widersprach Molly.
    «Nein», versicherte Lena. «Danke.»
    «Na gut», sagte Molly und suchte das Besteck zusammen. Sie ächzte, als sie aufstand. «So, jetzt gehe ich nach Hause zu meinen Kindern und trinke ein großes Glas Wein.»
    «Das klingt gut», sagte Lena.
    «Meine Mutter hat dafür gesorgt, dass sie keine Nachrichten sehen. Ich weiß gar nicht, was ich ihnen erzählen soll.»
    «Dir fällt schon was ein.»
    Molly lächelte. «Pass auf dich auf.»
    «Danke», sagte Lena noch einmal und rutschte vom Tisch.
    Nick kam ihr entgegen, als sie nach hinten ging. «Wir brauchen morgen deine Aussage», sagte er.
    «Du weißt, wo du mich findest.»
    Amanda Wagner lehnte am Kundentresen, das Telefon ans Ohr gepresst. Als sie Lena sah, sagte sie ins Telefon: «Einen Moment.» Dann wandte sie sich an Lena: «Gute Arbeit, Detective.»
    «Danke», sagte Lena.
    «Wenn Sie mal mit den großen Hunden auf die Jagd wollen, rufen Sie mich an.»
    Lena sah hinaus auf die Straße, wo die Agenten des GBI herumstolzierten, als hätten sie gerade die Menschheit gerettet. Sie dachte an Jeffrey und wie er ihr eine zweite Chance gegeben hatte. Genau genommen wohl eher die fünfte oder die sechste Chance.
    Sie lächelte Wagner an. «Nein, danke. Ich glaube, ich bleibe, wo ich bin.»
    Wagner zuckte die Achseln, als ging es sie nichts an. Dann setzte sie das Telefongespräch fort. «Wir müssen ihn uns natürlich noch heute Abend vornehmen. Ich will nicht, dass er zuerst mit den anderen Häftlingen plaudert und kapiert, dass er einen Anwalt braucht.»
    Mit der gesunden Hand drückte Lena die Tür auf und nickte einigen der Männer auf der Straße zu. Hier gehörte sie her. Sie gehörte zu ihnen. Sie war wieder Franks Partnerin. Sie war ein Cop. Verdammt, vielleicht war sie sogar mehr als das.
    Sie lief in Richtung Campus. Jetzt, da die Belagerung beendet war, stand der Typ vom Sicherheitsdienst wieder bei seinem Wagen Wache. Er tippte an seine Mütze, als sie vorbeiging, und Lena nickte ihm großmütig zu.
    Eine willkommene Brise war aufgekommen, als sie die Auffahrt zu den Wohnheimen hinauflief. Lena berührte ihren Bauch. Sie fragte sich, was darin war, was sie für eine Mutter wäre. Nach dem Tag heute hatte sie das Gefühl, dass es irgendwie nicht völlig unmöglich wäre.
    Der Campus war wie ausgestorben, die meisten Studenten saßen wahrscheinlich vor den Fernsehern oder lagen im Bett, dankbar für einen Tag ohne Lehrveranstaltungen. Die Innenstadt war noch abgesperrt, doch Lena schätzte, inein paar Stunden würden alle aus den Löchern kriechen und sich am Schauplatz der dramatischen Ereignisse den Hals verrenken. Und der Dekan müsste die Anrufe wütender Eltern entgegennehmen. Als hätte man irgendetwas verhindern können!
    Als Lena Ethan kennen lernte, hatte er in einem extrem wilden Wohnheim gewohnt. Aber Nächte durchzufeiern und ganze Wochenenden zu versaufen, war nicht sein Ding. Es war ihm gelungen, sich mit dem Dozenten anzufreunden, der die Zimmer verteilte, und er war in einem ruhigen Wohnheim gelandet.
    Sie stieg die drei Stufen zu der gemauerten Terrasse hoch. Ein paar Stundenten, die das Gebäude verließen, kamen ihr entgegen. Ethans Zimmer war einmal ein bloßer Abstellraum gewesen, und obwohl die Verwaltung ansonsten keine Bedenken hatte, Studenten wie Büchsensardinen
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