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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
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in Grant County gehabt, er hätte sich beherrschen müssen, um das Schwein nicht windelweich zu prügeln.
    «Du weißt nicht, wie es war», versuchte es Hoss. «Ich hab dieser Stadt dreißig Jahre lang treu gedient.»
    «Sie haben ein siebzehnjähriges Mädchen ermordet», sagte Jeffrey. «Oder wollen Sie mir erklären, das war okay, weil sie inzwischen achtzehn war?»
    Hoss warf das Taschentuch auf den Boden und stand auf. «Ich hab versucht, Robert zu schützen.»
    «Robert?», fragte Jeffrey ungläubig. «Was hat Robert damit zu tun?»
    Hoss legte die Hände auf den Tisch und beugte sich zu Jeffrey vor. «Sie hat überall rumerzählt, er hätte sie vergewaltigt. Ich konnte nicht zulassen, dass die kleine Schlampe sein Leben zerstört.»
    «Das Gerücht war nach einer Woche vergessen», entgegnete Jeffrey. «Nach weniger als einer Woche.»
    Hoss sah auf den Tisch hinunter. «Die Leute reden weiter. Die ganze Stadt besteht aus Gerede, die Leute erzählen Lügen und denken, sie wissen Bescheid, doch in Wirklichkeit haben sie keinen verdammten Schimmer.» Er wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. «Ich habe einen Ruf zu verlieren. Die Menschen hier brauchen mich. Sie brauchen jemand, der alles im Griff hat. Ich habe es für die Menschen hier getan.»
    «Sie Wahnsinniger», sagte Jeffrey.
    Hoss riss den Kopf hoch. «Du hast kein Recht   –»
    «Was hat sie getan?», fragte Jeffrey. «Sie haben sie weggeschickt, um das Baby zu kriegen, aber sie ist zurückgekommen. Haben Sie gedacht, sie kommt nicht zurück?»
    Hoss winkte ab. Er ging zum Fenster und kehrte Jeffrey den Rücken zu.
    «Sie glauben, Sie sind unberührbar. Sie glauben, Sie können sich hinter Ihrer Marke verstecken.»
    Hoss antwortete nicht.
    «Sie ist zurückgekommen, und dann? Was wollte sie, Hoss? Geld?»
    Hoss legte die Hand auf die Flagge seines Bruders. «Sie dachte, ich würde sie heiraten. Schön blöd, was? Ich sie heiraten.» Er lachte. «So eine Scheiße.»
    «Und da haben Sie sie umgebracht.»
    «So war es nicht.» Zum ersten Mal wirkte Hoss beunruhigt, doch Jeffrey wusste, es lag daran, dass er erwischt worden war, nicht weil er seine Tat bereute. «Es war ein Unfall.»
    «Na klar. Dauernd werden Menschen aus Versehen erwürgt.»
    Hoss’ Stimme überschlug sich. «Sie hat gedroht auszupacken», rief er. «Sie kam nach der Geburt wie die verdammte Jungfrau Maria zurück. Sie hat gesagt, sie wollte, dass ich eine ehrbare Frau aus ihr machte. Ist das zu fassen? Ich sie heiraten! Sie war wie ein Stück Kuchen, das jeder Mann aus dieser verdammten Stadt angebissen hatte. Ich wäre zum Gespött der Leute geworden, wenn ich die Nutte geheiratet hätte.»
    «Nennen Sie sie nicht so», warnte Jeffrey. «Dazu haben Sie kein Recht.»
    «Und ob ich das Recht habe», schoss Hoss zurück. «Sie hat doch nichts als Ärger gemacht. Sie hat behauptet, du hättest sie vergewaltigt. Wie hat dir das gefallen?»
    «Ach so ist das», sagte Jeffrey, «dann haben Sie sie für mich getötet?»
    «Und für Robert», sagte er.
    Jeffrey hatte Mühe, sich zu beherrschen. Aber er musste ihn reden lassen. «Was ist passiert?»
    «Sie kam aufs Revier.» Er zeigte auf das Büro, selbst die bloße Erinnerung schien ihn noch zu empören. «Hierher, in mein Büro.»
    «Und?»
    Hoss drehte sich wieder zu der Flagge und fuhr die Gravierung auf der Holzkiste mit dem Finger nach. «Es war spät, vielleicht so wie jetzt. Es war kaum jemand da.» Er schwieg. «Sie war heiß, wie immer, und dann hat sie plötzlich damit aufgehört. Das Biest wollte einen immer nur scharf machen.»
    Jeffrey wartete.
    «Also», fuhr Hoss fort, «darüber haben wir uns unterhalten.»
    «Hast du sie vergewaltigt?»
    «Sie wollte es so», sagte Hoss. «Sie wollte immer.»
    Jeffrey war schlecht. «Und was dann?»
    «Sie hat gesagt, sie will, dass ich sie heirate. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter Eric großzieht.»
    Jeffreys Blick schweifte über die Kiste mit der Flagge. Er hatte die Messingplakette schon tausendmal gesehen, doch er hatte nie eine Verbindung gezogen. JOHN ERIC HOLLISTER. Julia hatte Hoss gedrängt, und ohne es zu wissen, war sie zu weit gegangen.
    «Ihr habt euch gestritten?», fragte Jeffrey.
    «Ja», Hoss nickte. «Ich habe ihr Geld angeboten. Sie hat es mir vor die Füße geworfen. Sie hat gesagt, wenn wir verheiratet wären, würde sie sowieso alles kriegen.» Er lachte bitter. «Nicht zu fassen, wie dumm sie war. Zu glauben, das würde ich tun. Zu glauben, dass sie zu mehr
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