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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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aus und greife nach seiner.
    Mein Vater stößt einen erstickten Laut aus, aber als ich zu ihm hinübersehe, entdecke ich, dass er die Augen geschlossen hat und lächelt. Jedenfalls ein bisschen. Und dann schließen sich seine Finger um meine.
    »Tata?«, frage ich leise. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich hört, aber ich frage trotzdem. »Warum hast du dich nie mehr bei mir gemeldet? Ich meine, mit Mama, klar … Aber ich bin doch deine Tochter. Warum hast du mich einfach so … einfach so fallen gelassen?«
    Mein Vater bleibt einen langen Moment stumm. Dann schließen sich seine Finger fester um meine. »Es tut mir leid, Sascha«, sagt er mit leiser, fast brüchiger Stimme. »Ich war ein Idiot. Ich war so gekränkt, in meinem Stolz verletzt. Ich hab gedacht, es ist besser, wenn ich dich einfach nicht mehr wiedersehe. Deutschland und alles, was dazugehört, hinter mir lasse und vergesse.«
    Ich spüre, dass Aleks versucht, nicht zuzuhören.
    »Und ich?«, frage ich. »Sollte ich dich auch vergessen, oder wie?«
    Mein Vater hustet schwach. »Ich dachte, es sei besser so. Für dich und für mich«, sagt er. »Ich war ein Idiot, Sascha. Und ich hab mich geschämt. Ich wollte nicht, dass du so einen Verlierer als Vater hast.«
    Er hustet erneut, und ich lehne den Kopf zurück an die Lehne und schließe die Augen.
    Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich weiß auch nicht, was ich fühlen soll.
    Ich weiß nur, dass das alles vollkommen schräg ist.
    Und dass ich trotzdem froh bin, hier zu sitzen. Zwischen meinem Vater und Aleks.
    Mein Vater drückt meine Hand, dann erschlaffen seine Finger ein wenig.
    Den Rest der Fahrt über schweigen wir alle drei.
    In Subotica gibt es neue Gebäude und alte, verfallene. Die Einfallstraße zieht sich endlos lang dahin, Hunde streunen auf der Straße herum. Je weiter wir uns der Stadtmitte nähern, desto mehr Menschen sind unterwegs. Handyläden und kleine Klamottengeschäfte reihen sich an Cafés und Kneipen, vor denen zahllose Leute herumstehen, mit Flaschen in den Händen. Papierfetzen fliegen durch die Luft, in den Bäumen hängen die Reste von Plastiktüten, dazwischen tanzen lachende junge Mädchen auf der Straße herum.
    Das ist also Serbien.
    Ein armes, fremdes, schönes Land.
    »Heute ist Samstag«, murmelt Aleks. »Da ist immer viel los.«
    Ich werfe ihm einen Blick zu. »Wohnst du hier? Ich meine, sonst?«
    Aleks zögert, dann schüttelt er den Kopf. »Nein. Ich komme aus der Nähe von Novi Sad.«
    Novi Sad. Das hab ich schon mal gehört.
    »Woher genau?«, fragt mein Vater mit geschlossenen Augen. Und sehr leise. So leise, dass ich wieder neue Angst bekomme.
    Aleks wirft ihm einen kurzen Blick zu und schaltet herunter, um an einer roten Ampel zu halten. »Sremski Karlovci«, sagt er ruhig, und dann lässt er das Fenster herunter und beugt sich hinaus, um zwei jungen Typen, die gerade über die Straße gehen, eine Frage zuzurufen. Einer der beiden, ein dunkelhäutiger Typ mit einer Elvistolle, deutet die Straße hinunter und ruft etwas zurück, dann winken die beiden und verschwinden in einer Kneipe, aus der laute Popmusik dröhnt. Die Ampel schaltet auf Grün und Aleks gibt Gas.
    »Sremski Karlovci«, sagt mein Vater versonnen, »das ist wunderschön dort. Wunderschön. Vielleicht …«, er hustet erneut, »vielleicht zeigst du es Sascha irgendwann mal.«
    »Oder wir beide«, sagt Aleks und hält vor einem grün gekachelten Gebäude, an dessen Stirnwand in großen Leuchtbuchstaben BOLNICA steht. Vor demEingang steht ein Krankenwagen, und ein Trupp junger Männer führt gerade einen Kumpel mit verbundenem Arm zum Eingang. »Da wären wir.«
    Mein Vater öffnet die Augen. Sie wirken glasig, aber nach einem Moment kneift er sie wieder zusammen, und als er sie erneut öffnet, ist sein Blick klarer. » Dobre «, sagt er und richtet sich auf.
    Aleks stellt den Motor ab. »Ich bringe dich rein.«
    »Nein!« Mein Vater schüttelt den Kopf. »Das machst du nicht. Fahr! Fahr meine Tochter zur Grenze. Nur das ist wichtig!«
    Neben uns hupt ein Wagen, ein Mädchen lacht kreischend, ein älterer Herr ruft etwas. Leben. Das hier ist Leben.
    Und ich bin wieder mittendrin.
    Aber mein Vater  – mein Vater sieht unendlich bleich aus, als er sich mir zuwendet. »Pass auf dich auf, Sascha«, sagt er leise, und dann zuckt er zusammen, als ich ihn vorsichtig umarme. Aber nach einem Moment erwidert er meine Umarmung.
    Er drückt mich fest an sich, dann lässt er mich wieder los und sieht zu
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