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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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mein Vater greift nach der Halterung vor sich. Im schwachen Licht der Armaturenbeleuchtung kann ich sehen, dass seine Hand voller Blut ist.
    »Aleks, du musst anhalten!«, sage ich rau.
    Aleks wirft mir einen Blick zu, dann meinem Vater. Er nimmt Gas weg.
    Mein Vater schluckt. Sieht sich um. »Fahr weiter!«, zischt er und hebt die Pistole. Aber dabei stöhnt er wiederum auf.
    Angst kriecht mir den Nacken hinauf. Aber diesmal ist es eine andere Angst als in den Tagen zuvor. Ich bin nicht mehr eingesperrt. Ich bin frei, jedenfalls fast. Zu meiner Rechten und Linken sitzt jemand, der sich um mich kümmert … so fühlt es sich an. Nein, in Sicherheit bin ich nicht, aber darum geht es jetzt nicht.
    Ich habe keine Angst um mich. Ich habe Angst um meinen Vater.
    »Halt an, Aleks«, sage ich leise, und Aleks nickt und nimmt noch mehr Gas weg. Der Wagen holpert über ein weiteres Schlagloch, dann kommt er zum Stehen.
    Mitten auf dem Weg.
    Aber das macht nichts. Es ist nur ein Feldweg und wir sind das einzige Auto weit und breit.
    »Fahr weiter«, keucht mein Vater. Schweißperlen stehen auf seiner Stirn, und sein Gesicht sieht mittlerweile fast hohlwangig aus. »Sie dürfen uns nicht erwischen, Junge. Wir sind noch nicht weit genug weg!«
    Aleks antwortet nicht. Stattdessen öffnet er die Fahrertür, kramt unter dem Sitz herum und kommt dann auf die Beifahrerseite. Als er die Tür aufreißt und das Licht über ihm in der Verkleidung angeht, sehe ich, dass er einen Verbandskasten in der Hand hält.
    »Zeig mal her«, sagt er.
    Mein Vater lässt die Pistole sinken. Entkräftet schließt er die Augen, dann nimmt er die Hand von der Schulter.
    Aleks pfeift durch die Zähne. »Das müssen wir verbinden«, sagt er. »Und dann musst du zum Arzt. Sofort!«
    »Das geht nicht!«, keucht mein Vater. »Erst muss Sascha in Sicherheit sein! Erst muss sie über die Grenze!« Aleks sieht mich an. In seinem Blick liegt eine Festigkeit, die mir Halt gibt. »Ich verspreche dir«, sagt er und sieht meinen Vater mit demselben Blick an, »ich verspreche dir, dass ich deine Tochter zur Grenze bringe. Ich bringe sie in Sicherheit, das verspreche ich dir bei meinem Leben. Aber vorher bringen wir dich zu einem Arzt.«
    Mein Vater lacht auf. »Du versprichst es mir? Warum sollte ich dir trauen, Junge?«
    Aleks’ Augen verdunkeln sich. Er schweigt, und für einen Moment habe ich das Gefühl, dass er abhauen wird. Er wird gehen und mich im Stich lassen, zusammen mit meinem angeschossenen Vater. Der Albtraum wird kein Ende haben.
    »Bitte«, sage ich leise. »Bitte!«
    Ich weiß nicht genau, zu wem ich das eigentlich sage. Vielleicht zu beiden – zu meinem Vater, damit er Aleks vertraut? Zu Aleks, damit er mir hilft? Oder gar zu mir selbst – weil ich Angst habe, dass ich mich täusche?
    Immerhin ist Aleks an meiner Entführung beteiligt. Wer sagt denn, dass er wirklich auf meiner Seite ist?
    Mein Gefühl. Das sagt es mir.
    Aber kann ich mich auf mein Gefühl verlassen?
    Mein Vater schließt die Augen und öffnet sie wieder. Aleks schweigt. Hinter ihm, das sehe ich auf einmal verwundert, ist der Mond aufgegangen. Aber nur halb. Der Himmel leuchtet dort, wo der Mond sich zur Hälfte hinter einem Bergmassiv emporgeschoben hat. Ich habe mich nicht getäuscht.
    Vielleicht ist das ein Zeichen?
    »Bitte«, sage ich noch mal, und da nickt mein Vater.
    »Mach schnell«, sagt er. »Mach schnell, okay?«
    Ich beuge mich vor. Aber so, von der Seite, kannich von der Wunde nicht viel erkennen. Aleks nimmt eine Verbandsschere aus dem Kasten und beginnt, das Hemd meines Vaters am Oberarm aufzuschneiden, und ich rutsche zum Fahrersitz herüber und steige aus. Meine Beine sind wackelig, aber die warme Abendluft tut mir unendlich gut. Vorsichtig laufe ich über den holprigen Weg um den Wagen herum und stelle mich neben Aleks.
    Mittlerweile hat er die Wunde freigelegt. Sie sieht übel aus. Das ist kein Streifschuss, das ist ein Durchschuss. Die Kugel hat eine klaffende Wunde in den Oberarm gerissen und das Blut strömt immer noch heraus.
    Aleks holt eine gerollte Mullbinde, reicht sie meinem Vater und nimmt einen Druckverband aus dem Kasten.
    »Beiß drauf, wenn ich den Verband anlege«, sagt er zu meinem Vater, der sich folgsam die Rolle zwischen die Zähne steckt und die Augen schließt.
    Mit zittrigen Fingern halte ich die Schere, während Aleks mit gekonnten Bewegungen einen Druckverband anlegt und den Arm dann mit einem Dreieckstuch sorgsam fixiert. Jede seiner
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