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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller
Autoren: Karen-Susan Fessel
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Gesten wirkt sicher und souverän, und ich stehe so dicht neben ihm, dass ich seine geschickten Hände genau betrachten kann.
    Und das mache ich – lieber sehe ich Aleks’ Hände an als diese grässliche, tiefe Wunde im Arm meinesVaters, die schließlich unter dicken Lagen weißen Verbandsmaterials verschwunden ist.
    Mein Vater stöhnt die ganze Zeit über immer wieder leise auf, und die Mullbinde zwischen seinen Zähnen ist platt gepresst und in der Mitte durchgebissen, als er sie schließlich ausspuckt.
    »Fertig«, sagt Aleks und wirft einen Blick nach hinten, während er den Kasten wieder zuklappt. »Das muss fürs Erste reichen. Aber wir sollten uns beeilen.« Schnell laufen wir um den Wagen herum und steigen ein. Aleks hilft mir hoch, seine Hand liegt warm auf meinem Arm. Für einen winzigen Moment lächeln wir uns an, dann schlägt er die Tür zu und startet den Motor.
    Kaum hundert Meter weiter ist der Weg plötzlich zu Ende, und wir biegen nach links auf eine schmale, geteerte Straße ein. Niemand außer uns ist unterwegs, aber weit hinten sehe ich die Lichter fahrender Autos. Aleks gibt Gas. Der Wagen beschleunigt, fast habe ich das Gefühl, dass wir über die holprige Straße dahinfliegen.
    Mein Vater hat die Augen immer noch geschlossen. Aber sein Atem geht schnell. Und gepresst.
    »Tata?«, frage ich ihn. »Alles okay?«
    Er versucht ein Lächeln. Sein Papalächeln. Aber er kriegt’s nicht ganz hin.
    »Fahr über den Schleichweg zur Grenze und dannzurück nach Horgoš«, sagt er zu Aleks. »Da kannst du mich dann absetzen. Ich finde schon einen Arzt.«
    »In Subotica gibt es ein Krankenhaus«, erwidert Aleks.
    »Das ist zu weit weg. Fahr nach Horgoš.«
    Es ist komisch, die beiden miteinander auf Deutsch reden zu hören. Aleks spricht fast akzentfrei, mein Vater nicht. Das ist mir noch nie zuvor aufgefallen. Aber wann denn auch?
    Als kleines Mädchen war mein Vater für mich der Größte. Mein Held.
    Und jetzt? Was ist er jetzt für mich?
    Ich habe keine Ahnung.
    Nur, dass er mir fremd und nah zugleich ist.
    Aleks beschleunigt weiter. Der Mond hat sich jetzt ganz über den Berghang geschoben, beleuchtet die Felder zu beiden Seiten der Straße. Sie sehen unendlich groß aus.
    Mein Vater hält die Augen geschlossen. Aleks neben mir schweigt. Vor uns leuchten Lichter auf, ich kann eine Ortschaft erahnen. Aber Aleks verlangsamt das Tempo, setzt den Blinker und biegt nach links ab, bevor wir die ersten Häuser erreichen.
    Wieder fahren wir zwischen Feldern dahin, auf einem holprigen Weg. Mein Vater stöhnt jedes Mal auf, wenn wir ein Schlagloch erwischen. Und das passiert oft.
    In der Ferne erhellen die Lichtkegel fahrenderWagen die Sommernacht. Hinter uns ist alles dunkel. Irgendwo dahinten in dieser Dunkelheit steht mein Gefängnis. Ob Goldzahn und Filip noch dort sind? Und Aleks’ Oma?
    »Hast du auf Goldzahn geschossen?«, frage ich plötzlich, und Aleks neben mir zuckt zusammen. Mein Vater macht die Augen nicht auf. Sein Gesichtsausdruck verrät nicht das Geringste.
    Komisch. Ich habe ihn gerade erst gefunden und werde ihn gleich wieder verlieren. Wenn er aus dem Wagen steigt, sehe ich ihn vielleicht nie wieder. Und Aleks … den vielleicht auch nicht.
    Und ich weiß immer noch nicht, was eigentlich genau geschehen ist.
    Und warum.
    »Tata«, sage ich. »Erzähl mir, was passiert ist.«
    Aleks wirft ihm einen Blick zu, dann schaltet er herunter. Der Weg wird wieder schlechter.
    Mein Vater schweigt, dann seufzt er leise auf. »Ich bin erpresst worden, Alex. Ich wusste nichts davon, ich wusste nicht, dass sie dich entführt haben. Ich habe es erst am Donnerstagabend erfahren.«
    »Am Donnerstag?«
    »Ja. Ich war unterwegs, nicht erreichbar. Hätte ich gewusst …« Endlich öffnet mein Vater die Augen und sieht mich an. Im Licht des Mondes glänzen sie erstaunlich hell. »Ich schulde Nenad und seinen Kompagnons Geld. Viel Geld.«
    »Nenad? Goldzahn?«
    »Und seinen Kompagnons, ja. Filip ist nur ein Helfer, aber er hat nichts zu sagen. Jedenfalls, sehr viel Geld schulde ich ihnen. Ich hab Scheiße gebaut.« Er grinst schwach. »Deine Mutter hatte recht, mich zum Teufel zu jagen. Ich baue immer nur Mist. Das Einzige, was ich je fertiggebracht hab und das kein Mist ist, das bist du.« Er lächelt schief, dann wird er wieder ernst. Seine Stimme klingt leiser, oder vielleicht ist auch das Motorengeräusch lauter geworden, ich weiß es nicht.
    »Ich hab stolz von dir erzählt und Fotos gezeigt und immer
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