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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci
Autoren: O Buslau
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es keine Panne gab. Es konnten sich
ja trotz sorgfältiger Arbeit Schreibfehler eingeschlichen haben. Und was würde
das für einen Eindruck machen, wenn falsche Töne die Kammermusik verdarben?
    Das Kopieren der
Noten war eine Aufgabe, die nicht nur größte Genauigkeit erforderte, sondern
auch Diskretion. Niemand anders als Quantz und Seine Majestät durften im Besitz
der königlichen Partituren sein. In den großen Musikmetropolen wie Wien, Paris,
Venedig oder Neapel kam es vor, dass Kopisten, die eigentlich nur die Exemplare
vervielfältigen sollten, unter der Hand in ihren Schreibstuben gleich weitere
Abschriften der in Auftrag gegebenen Stücke anfertigten, um sie dann als eigene
Komposition heimlich weiterzuverkaufen. Friedrich würde so etwas niemals
dulden.
    »Wer schreibt die
Noten ab?«, fragte Quantz, denn es gab mehrere Schreiber, die für den König
arbeiteten, und nicht jeder hatte immer Zeit. Einige waren durch die Arbeiten
an den Opernmanuskripten blockiert, die für das neue Opernhaus in Berlin
entstanden.
    »Herr Freudenberg«,
sagte Sophie.
    Das war gut. Johann
Gottlob Freudenberg war zuverlässig. Er spielte selbst Geige in der Hofkapelle
und komponierte sogar ein bisschen. Er hatte Sinn für den Gesamtzusammenhang
und war mehr als eine taube Abschreibemaschine.
    »Danke, Sophie, das
wäre alles.« Quantz nahm die Kanne und goss sich Kaffee ein.
    Bevor sie sich zur
Tür wandte, zeigte sie ihre Ergebenheit mit einem höflichen Knicks.
    Eigentlich konnte er
es nicht leiden, wenn sich Sophie ganz und gar wie eine Dienstmagd verhielt. Am
liebsten hätte er ein legales Verhältnis zu ihr gehabt, aber das ging nicht,
solange er formal mit Anna verheiratet war.
    Die Zeit bis gegen
drei Uhr am Nachmittag verbrachte Quantz damit, einen kleinen Spaziergang durch
die Stadt zu machen, denn das schien seinem Rücken ebenfalls gutzutun, ähnlich
wie das Arbeiten im Stehen. Danach holte er seine Querflöte hervor und spielte
sich für die bevorstehende Probe ein.
    Bevor er zum
privaten Flötenlehrer des preußischen Königs geworden war, hatte er in ganz
Europa vor vielen gekrönten Häuptern konzertiert und dafür höchste Ehrungen
entgegennehmen dürfen. Als Flötist am Hofe des prachtliebenden sächsischen
Kurfürsten in Dresden hatte er bei einem königlichen Besuch den damaligen
preußischen Kronprinzen Friedrich kennengelernt, der von der luftigen
Leichtigkeit der Flöte besessen war. Ein volles Jahrzehnt hatte der Prinz
versucht, Quantz dem Herrscher in Sachsen abzuwerben. Ein Jahr nach seiner
Thronbesteigung war es ihm schließlich gelungen. Verbunden mit dem gewaltigen
Gehalt von zweitausend Talern jährlich und sehr begrenzten Aufgaben:
Vorbereitung der abendlichen Kammermusiken im Schloss. Dabei persönliche
Anwesenheit. Auf Wunsch Seiner Majestät Unterricht auf der Flöte. Außerdem die
Komposition neuer Konzerte oder Sonaten, die extra bezahlt wurden, sowie die
Anfertigung neuer Instrumente, die er dem König ebenfalls gesondert verkaufen
durfte.
    Alles in allem kam
Quantz damit auf ein Gehalt von über dreitausend Talern – ein Vielfaches
dessen, was andere Mitglieder des Orchesters bekamen, die wesentlich mehr
Verpflichtungen hatten als er. Carl Philipp Emanuel Bach zum Beispiel, immerhin
der Sohn des großen Johann Sebastian aus Leipzig, hatte in der Kammermusik
Klavier zu spielen, wirkte in Opernaufführungen in Berlin als Cembalist mit und
musste seine Familie mit nur dreihundert Talern durchbringen.
    Quantz schickte
immer wieder neue Ketten von brillanten Flötentönen in den Raum. Nach und nach
arbeitete er die Studien ab, die für die Fingergelenkigkeit wichtig waren und
mit denen er Friedrich in dessen ersten Flötenstunden traktiert hatte. Doch
nach und nach lenkte sich der Melodienfluss wie von selbst auf das Thema seines
neuen Konzerts. Es gelang Quantz, das Solo aus dem Gedächtnis nachzuspielen.
Immer weiter versank er in seiner eigenen Musik – und er erwachte wie aus einem
Tagtraum, als Sophie an die Tür klopfte. Er rief sie herein. In der Hand trug
sie einen Stapel Noten.
    »Herr Freudenberg
war gerade da«, sagte sie. »Und ich bitte Sie zu Tisch.«
    Quantz, immer noch
die Flöte in der Hand, nickte ihr zu. Die Tür war schon wieder geschlossen, als
er das Instrument beiseitelegte, zum Stehpult ging, wo der Papierstapel lag,
und über das raue Papier strich. Er blätterte in den Noten. Der Kopist hatte
sauber gearbeitet.
    Vorfreude auf den
Nachmittag begann sich in Quantz zu
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