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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci
Autoren: O Buslau
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Eiweiß?«
    Wieder ein Nicken.
    »Gegen die
Nierenentzündung schreibe ich Ihnen Sodapulver auf. Lösen Sie dreimal täglich
einen Esslöffel in Wasser auf und trinken Sie die Mischung in kleinen Schlucken.
Es dauert eine Weile, bis die Wirkung einsetzt. Machen Sie sich jetzt frei.«
    »Sie wissen,
weshalb ich hier bin«, sagte er, ohne sich zu erheben.
    Dr. Saretzki griff
nach einem eisernen Winkelmesser. »Nun machen Sie schon.«
    Widerstrebend
stand er auf, trat hinter den Paravent und legte den Frack, die Weste, den
Binder und das Hemd ab. Große Überwindung kostete es ihn, den Kattun-Wickel
abzurollen. Er war etwa zwanzig Zentimeter breit und zwei Meter lang und
verbarg, fest um den Oberkörper geschnürt, seine Brüste, die inzwischen so fest
und groß wie bei einem erblühenden Mädchen waren. Sogar die Warzenhöfe waren
größer geworden. Mit hochrotem Kopf trat er hinter dem Paravent hervor und
flüsterte: »Ich weiß, dass sie gewachsen sind.«
    Dr. Saretzki
musterte seinen Oberkörper, die Stellung der Schultern und die Haltung des
Halses mit den kühlen Augen des Diagnostikers. »Drücken Sie den Rücken durch
und stehen Sie gerade«, sagte er und trat hinter ihn. Mit geübten Händen legte
er den Winkelmesser an die Wirbelsäule und bewegte den Schieber auf dem
rechtwinklig abstehenden Lineal nach links. »Die Skoliose hat sich
verschlimmert. Haben Sie Schmerzen?«
    »Noch bin ich
nicht tot«, murmelte er.
    »Ich schreibe
Ihnen ein Pulver auf Basis von erdigen Kalkbestandteilen auf. Mischen Sie einen
Teelöffel unter jede Mahlzeit. Machen Sie noch die Übungen zur Stärkung der
Rückenmuskulatur?«
    Er nickte ergeben
und trat hinter den Paravent. Längst wusste er, dass die Verkrümmung der
Wirbelsäule, die Brightsche Nierenentzündung und diverse Knochenbrüche der
vergangenen Jahre Folgen der Kastration waren. Eines Tages würden diese Leiden
seinen Organismus zum Erliegen bringen. Die Arzneien gewährten ihm nur einen
Aufschub, heilen würden sie ihn nicht.
    Wieder angekleidet
setzte er sich vor den Schreibtisch. Plötzlich erklang ein Singen in seinen
Ohren, gleichzeitig bewegte sich etwas unter dem linken Ärmel. Der Kitzel ließ
ihn erschauern und jagte ihm eine Gänsehaut über die ganze linke Seite. Mit der
flachen Hand klopfte er auf seinen Unterarm und blickte auf. »Wo ist meine
Medizin?«
    Dr. Saretzki hatte
ihn genau beobachtet und machte sich eine Notiz. »Hören Sie noch Stimmen?«
    »Jeder hört
Stimmen.«
    »Hm, hm. Wie viel
haben Sie zuletzt injiziert?«
    »Ein halbes Gramm
pro Dosis, zwischen drei und vier Gramm am Tag.«
    »Neueste
Forschungen belegen, dass Kokain zu Wahnvorstellungen führen kann.«
    »Was wollen Sie
damit sagen?«
    »Ich habe Ihnen
Kokain verschrieben, um Sie von Ihrer Morphiumsucht zu heilen. Mittlerweile bin
ich davon überzeugt, dass wir uns nach Alternativen umsehen sollten.«
    »So langsam habe
ich genug von Ihren Ausflüchten, Saretzki. Entweder Sie rücken meine Medizin
heraus, oder ich marschiere geradewegs zu Ihrer Frau und berichte ihr, was Sie
dem armen Mädchen angetan haben.«
    Dr. Saretzki
musterte ihn kalt. Dann zog er eine Schublade auf, griff hinein und warf eine
braune Papiertüte auf den Schreibtisch. »Das ist das letzte Mal. Danach
bekommen Sie von mir nichts mehr.«
    Er nahm die Tüte
und kontrollierte mit zitternden Fingern den Inhalt. »Ich bestimme, wann das
letzte Mal ist. In vier Wochen komme ich wieder. Und wehe, Sie liefern nicht.
Einen schönen Gruß an die Frau Gemahlin«, sagte er und eilte hinaus. Zu Hause
bewahrte er ein ganzes Arsenal an Ingredienzien und Gerätschaften auf, um die
wirksamste aller Lösungen herzustellen. Diese Medizin würde ihm die nötige
Energie schenken, um den großen Plan zu vollenden.
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