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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci
Autoren: O Buslau
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Prolog
    Potsdam, 7. Mai 1747
    Die Musik begann, und für Andreas war es, als falle alles von ihm ab, was ihm tagtäglich
Qual bereitete.
    Der stupide Dienst
in den Räumen des Königs. Das stundenlange Stehen. Das Gefühl, ein Nichts zu
sein – oder nur ein Ding. Nicht mehr als einer von den damastbezogenen Stühlen.
Nicht mehr als das Geschirr, in dem man Seiner Majestät den Kaffee reichte. Ein
Spiegel. Ein Tablett. Manchmal kam es Andreas vor, als erstarrte er innerlich,
wenn er regungslos an einer der Wände der königlichen Gemächer auf eine Aufgabe
wartete. Doch jetzt, als hinter der reich verzierten Tür die Instrumente
einsetzten, war es, als löse sich all das Versteinerte in ihm.
    Eine Melodie wie
eine lange Weinranke schwang sich durch die Räume. Zerbrechlich und edel, fein
und kostbar. Er schloss die Augen und vergaß den Zierrat des Schlosses, der ihn
umgab. All die goldenen Schnörkel, die Stuckornamente und bemalten Flächen. Sie
waren hohl und brüchig. Nur die Musik war echt und wahr. Ein Umhang aus Klang,
der ihn schützte.
    Etwas riss Andreas
aus seinem selbstvergessenen Lauschen.
    Der Flötist hinter
der Tür hatte noch nichts bemerkt. Er streute weiter seine heiteren, vielleicht
vom Frühling draußen inspirierten Töne in die Welt, während sich aus den
weitläufigen Zimmerfluchten Schritte näherten.
    Andreas versuchte,
die Musik festzuhalten und die immer lauter werdenden Tritte auszublenden, doch
dann waren sie so nah, dass er die Augen öffnen musste.
    Es waren zwei
Männer. Schröder, der alte Lakai, und dahinter ein stämmiger alter Mann in
Reisekleidung. Schröder übergab Andreas wortlos ein Silbertablett, auf dem ein
zusammengefalteter Zettel lag. Eine Nachricht für den König.
    Andreas wandte sich
der Tür zu und zögerte. Er würde das Konzert stören müssen.
    Am liebsten hätte er
gewartet, bis das Stück zu Ende war. Hinter ihm räusperte Schröder sich. Der
unbekannte Gast atmete schwer. Er hatte wohl eine lange Reise hinter sich, denn
auf seinem Mantel lag der helle Staub der brandenburgischen Straßen.
    Andreas musste
gehorchen. Er drückte die Klinke hinunter und betrat den Raum, in dem hell
Kerzen brannten. Da stand in blauem Rock, Stiefeln und mit Dreispitz auf dem
Kopf Seine Majestät, umgeben von den in ihr Spiel vertieften Musikern. Die
glatten gestromten Leiber der königlichen Hunde lagen in der Ecke. Eines der
Tiere sah hoch, als erwarte es, dass sein Herr das Instrument wieder an die
Lippen führte und weiterspielte. Die Bögen der Geigen fuhren auf und nieder,
und jetzt setzte der König gerade die Flöte an, weil sein Einsatz kam. Da
bemerkte er Andreas.
    Die Musik brach ab.
Die eintretende Stille schmerzte Andreas geradezu. Seine Majestät nahm das
Blatt vom Silbertablett und faltete es auseinander.
    Andreas zog sich
zurück. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte und auf seinen Platz vor
dem Konzertzimmer zurückgekehrt war, sprach der König drinnen ein paar
unverständliche Worte. Kurz darauf wurde die Tür wieder geöffnet, Seine
Majestät trat mit schwerem Schritt heraus und wandte sich an den Ankömmling in
Reisekleidung, der allein wartete. Schröder war bereits gegangen
    Der alte Mann senkte
das von einer schweren Perücke bedeckte Haupt vor dem König, der ihn gleich in
das Konzertzimmer bat. Beide verschwanden hinter der Tür. Andreas wagte es,
sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen.
    Auch er trug zur
Livree der Lakaien eine Perücke. Unter der Schicht aus künstlichen Haaren
juckte es heftig, aber natürlich war es verboten, den Kopfputz abzunehmen.
    Er konzentrierte
sich auf die Stimmen, die aus dem Zimmer hinter der Tür drangen. Andreas konnte
nicht verstehen, was gesprochen wurde.
    Nach und nach wurde
es leiser. Dann erklang ein weicher, schlanker Ton. Und noch einer. Immerhin
setzte man die Musik fort – wenn auch nur am Klavier.
    Der Ankömmling
musste ein Musiker sein. Einer, der von weit her an den Potsdamer Hof gekommen
war.
    Leise schritt eine
Melodie eine Weile dahin. Jetzt sprach der König. Er schien dem Spiel Einhalt
zu gebieten, und es brach ab.
    Andreas beobachtete,
wie die Dämmerung zunahm. Hinter dem großen Fenster verschluckte sie nach und
nach die Dächer der Stadt. Immer noch wurde im Konzertzimmer gesprochen.
Dazwischen waren die Geräusche zu hören, die aus den Gassen in der Nähe des
Stadtschlosses heraufdrangen. Das Quietschen von Kutschen. Pferdegetrappel. Das
ferne Abendläuten einer Kirche. Ab und zu der
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