Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci
Autoren: O Buslau
Vom Netzwerk:
Depesche abzugeben war.
    »Du wirst
hoffentlich uns und unserem König kein ungehorsamer Diener mehr sein. Sieh es
als Prüfung an. Und als Beweis, dass Seine Majestät wieder Vertrauen zu dir
hat.«
    Andreas drängte sich
gegen den Busch, die Äste schienen wie Hände nach seinem Rücken zu greifen, ihn
abzutasten – als wollten sie ihn von hinten packen. Wie der Mann, der plötzlich
in der Nacht aufgetaucht war …
    »Es ist gut«, sagte
Herr Fredersdorf. »Den Dreck da kann jemand anders vergraben. Geh jetzt.«
    Plötzlich hatte
Andreas die Botschaft in der Hand. Ein paar Atemzüge stand er noch zitternd da.
Der hohe Herr war nicht mehr da. Schließlich siegte die angelernte
Lakaiendisziplin, und Andreas setzte sich in Bewegung.
    Mechanisch wanderte
er die Straße hinunter, die in einigen Kurven zum Potsdamer Brandenburger Tor
führte. Berittene Boten kamen ihm entgegen, zwei-, dreimal eine Kutsche.
Niemand beachtete ihn. Die Lakaienlivree wies ihn als jemanden aus, der auf der
untersten Stufe der Hofbediensteten stand. Ihn musste man nicht beachten.
    Selbst die Torwache
winkte ihn an den Schlangen von Wagen und Menschen zu Fuß vorbei, die ihre
mitgebrachten Waren an der Akzisestelle kontrollieren ließen.
    Kaum hatte Andreas
die Stadt betreten, entstand vor seinem geistigen Auge der Grundriss der Stadt
mit ihren schnurgeraden, manchmal etwas schräg angelegten Straßen, die sich
unregelmäßig überkreuzten und schnitten. Während er weitermarschierte, schwebte
vor ihm der Stadtplan, den er einmal zufällig in Herrn Fredersdorfs
Arbeitskabinett gesehen und der sich seitdem in sein Hirn eingebrannt hatte.
    Über dem südlichen
Bereich um das Stadtschloss in der Nähe der mächtigen Havel verliefen mehrere
Straßen quer, als habe der alte König, der die Stadt plante, einfach ein paar
Striche gezogen.
    Die breiteste davon
war die Brandenburger Straße, der Andreas jetzt in Richtung des Bassins folgte
– einem rechteckigen künstlichen See mit einer Insel in der Mitte. Neben dem
Faulen See, den man trockengelegt und in einen großen bepflanzten Platz, eine Plantage,
verwandelt hatte, bildete er auf Andreas’ innerem Stadtplan eine zweite leere
Fläche.
    Von diesem Bereich
hielt sich Andreas fern. Er bog um eine Ecke und näherte sich dem Kanal. Dort,
im Gasthof »Zur Goldenen Krone«, hatte er seinen Brief abzugeben.
    Das Gewühl auf der
Straße gab ihm Sicherheit. Doch irgendetwas sagte ihm, dass der Unbekannte um
ihn war, ihn vielleicht genau in diesem Moment beobachtete. Aber jetzt, am
Tage, konnte er ihm ja nichts tun. Überall waren die blauen Röcke der Soldaten
zu sehen. Die Grenadiere würden ihn beschützen, wenn er Hilfe brauchte. Und
niemand tat doch einem Schlossbediensteten etwas am helllichten Tag und auf
offener Straße. Jedenfalls redete sich Andreas das ein.
    Rechts neben ihm
wurde die träge Wasserfläche des Kanals sichtbar. Ein längliches Boot schob
sich geräuschlos vorbei.
    Da war der Gasthof.
Andreas beschleunigte seine Schritte und erreichte die Eingangstür.
    Der Flur war dunkel.
Es roch nach Kohl und Kartoffeln. Jetzt wurde die Erinnerung an das Erlebnis
der Nacht wieder stärker. Etwas regte sich am Ende des Ganges. Jemand kam auf
ihn zu. Die plötzliche Angst schnürte Andreas’ Brust ein, doch dann erkannte er,
dass es nur der Gastwirt war.
    »Was willst du? Ah,
ein Brief. Für Herrn La Mettrie. In Ordnung, Junge. Kannst wieder gehen.«
    Es war besser,
solche Briefe persönlich abzugeben – um sicher zu sein, dass sie wirklich
ankamen. Und wegen des Trinkgeldes. Doch Andreas wollte wieder hinaus. Weg von
dem Flur, wo ihm jemand auflauern konnte. Er lief auf die Straße, den Kanal
entlang.
    Nur ein kleines
Stück entfernt wohnte Herr Quantz. Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen,
um ihn zu besuchen. Es war immer noch etwas offen zwischen ihnen. Die Sache mit
der Melodie, die er Herrn Quantz erklären wollte. Aber wie sollte er das tun? Er
verstand selbst nicht, warum es ihm unmöglich war, einfach den Mund zu öffnen
und zu sprechen. Er musste sich auf andere Weise ausdrücken. Schreiben konnte
er mit Mühe, Lesen ein ganz kleines bisschen, wenn man ihm Zeit ließ.
    Das Haus kam in
Sicht. Drei Kutschen standen vor der Tür. Die Fahrer dösten auf ihren Böcken.
Aus einem offenen Fenster aus dem ersten Stock drang Musik. Andreas sah in das
Laub des Baumes vor der Fassade hinauf. Die Melodien von dort oben gaben ihm
seine Sicherheit zurück. Sie beruhigten ihn.
    Er blieb an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher