Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gelbe Nebel

Der Gelbe Nebel

Titel: Der Gelbe Nebel
Autoren: Alexander Wolkow
Vom Netzwerk:
EIN SCHLAF VON FÜNF JAHRTAUSENDEN
    Die schmale und lange Schlucht der Weltumspannenden Berge mündete in
einer großen warmen Höhle mit hoher Decke, glatten Wänden und ebenem
Boden. In einer Ecke der Höhle befand sich ein großes Ruhelager mit
weichem Moos, auf dem eine Frau von riesigem Wuchs in tiefem Schlaf
lag. Das war ein ganz ungewöhnlicher Schlaf, der schon viele Jahrhunderte
dauerte. Wer hatte die Frau in den Zauberschlaf versenkt? Durch welch
böse Taten hatte sie sich eine solche Strafe verdient?
Um zu erfahren, wie und warum das geschah, müssen wir um Tausende
Jahre zurückgreifen und uns in die Zeit versetzen, als in dem Lande, das
später den Namen Zauberland erhielt, der Riese Hurrikap* auftauchte.
Hurrikap, ein mächtiger Zauberer, hatte dieses Land durch die Große Wüste
und die Weltumspannenden Berge von der übrigen Welt abgetrennt. Er
hatte den Tieren, die dort lebten, die Gabe verliehen, wie Menschen zu
sprechen, und die Sonne gezwungen, das ganze Jahr über diesem Land zu
scheinen und seine Wälder und Felder ununterbrochen in ihren heißen
Strahlen zu baden.
Hurrikap hatte viel Gutes für das Zauberland getan, und die Stämme der
kleinen Menschen, die es bevölkerten, lebten froh und glücklich und gingen
ihrer friedlichen Arbeit nach.
So vergingen tausend oder zweitausend Jahre. Doch dann brach über die
Einwohner des Zauberlandes ein Unheil herein, das kein Ende nehmen
wollte. Bald war es ein Sturmwind, der bei heiterem Himmel auf die
Siedlungen niederging, Häuser umwarf und die Menschen, die nicht
rechtzeitig hinausliefen, tötete oder zu Krüppeln machte, bald war es ein
Hochwasser, das die Uferdörfer überschwemmte, bald eine Seuche, die das
Vieh befiel und Dutzende Kühe und Schafe dahinraffte.
Hurrikap schlug sein Zauberbuch auf und las darin, daß alle diese Plagen
von einer Hexe namens Arachna herrührten, die aus der großen Welt in das
Zauberland gekommen war. Sie reichte Hurrikap nur bis zum Bauch, doch
das war gar nicht so wenig, denn der Kopf des guten Zauberers reichte bis
zu den Wipfeln der höchsten Bäume. Deshalb gehörte auch Arachna zu den
Riesen, wenngleich sie nur dreißig Ellen groß war. Arachna war eine sehr
böse Hexe. Gab es einen Tag, an dem sie niemandem Böses zufügen
konnte, so war dieser Tag für sie verloren. Wenn sie aber jemandem
* Nachzulesen im Märchen „Die sieben unterirdischen Könige“.
    Unglück bescherte, lachte sie so laut, daß die Bäume in den Hainen zu
zittern begannen und ihre Früchte fallen ließen. Nur einen Menschenschlag
verschonte Arachna. Das war ein kleiner Stamm von Zwergen, die sie von
der anderen Seite der Berge mitgebracht hatte. Die Zwerge dienten ihr
ergeben, wie es schon ihre Ahnen taten, die es der Hexe geschworen hatten.
Hätte die Hexe ihre Untertanen aber gekränkt, so hätten diese bestimmt das
Weite gesucht und sich über das ganze Land verstreut, und dann hätte sie
auch niemand in den dichten Wäldern oder im hohen Gras der Wiesen
finden können, denn sie waren nur eine Elle groß und wußten sich
geschickt zu verbergen. Die winzigen Menschlein mit ihren langen grauen
Bärten und ihre sauber gekleideten Frauen mit den weißen Hauben auf dem
Kopf sorgten beflissen für alles, was ihre Herrin brauchte: Sie brieten für
sie Ochsen und Hammel, die auf den üppigen Bergwiesen weideten, und
buken knusprige Semmeln aus dem Mehl des Weizens, der auf dem
fruchtbaren Boden ihres weltabgeschiedenen Tals wuchs. Mit ihren
winzigen Pfeilen erlegten sie fette Fasanen und Rebhühner, und sie woben
Stoff, den sie blau färbten und aus dem sie für die Hexe neue Gewänder
nähten, wenn die alten verschlissen waren. Für diese unschätzbaren Dienste
belohnte Arachna die Zwerge. Ihre Beschwörungen bewirkten, daß die
Menschlein 150 Jahre alt wurden, daß Krankheiten ihren Kindern
fernblieben, daß ihre Pfeile unfehlbar jedes Wild trafen und ihre Netze viele
kleine und große Fische einfingen. Gutes tat Arachna aber sehr ungern, und
wo sie’s dennoch tat, entschädigte sie sich dafür, indem sie anderen
Menschen allerlei Übel zufügte.
Als Hurrikap das erfuhr, beschloß er, die Hexe unschädlich zu machen.
Doch wie er das tun sollte, wußte er zunächst nicht. Am einfachsten schien
ihm, seine zentnerschwere Faust auf den Kopf der Hexe niedersausen zu
lassen und sie so zu töten. Doch das brachte der gute Riese, der noch nie
jemanden getötet hatte, nicht übers Herz. Er war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher