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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci
Autoren: O Buslau
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dieses Themas ein langes, sich auf verschiedenen Tonstufen
wiederholendes Motiv ab und führte es zu einem brillanten Ende. Dann gab man
dem Solisten – hier dem König mit der Flöte – den Einsatz mit demselben Thema.
Der Solist hatte nun das Prinzip der sich wiederholenden Motive in allerlei
Variationen vorzuführen, unterbrochen von den Streichern, die immer wieder das
Hauptthema dazwischenwarfen, sodass ein Dialog entstand.
    Dabei ging es durch
mehrere Tonarten – mal wurde das Geschehen in melancholisches Moll gewendet,
leuchtete dann wieder in erhabenem Dur, um ein prächtiges Ende zu finden, in
dem alle Motive noch einmal wiederholt wurden.
    Hatte man dieses
Prinzip verstanden, konnte man damit erste und dritte Sätze für Konzerte bauen
– wie ein Architekt, der einen Palast entwirft. Quantz selbst hatte das
hundertfach getan – und hatte Vivaldi durchaus nachgeeifert. In den
Mittelsätzen dagegen ging es um reine Melodien über sparsamer Begleitung.
    Die Feder kratzte
und kratzte über das Papier, und die Uhr schlug bereits zwei, als Quantz
endlich mit dem Konzert fertig war.
    Er hatte es wieder
einmal geschafft. Es war ein Gefühl, als würde er nach einem langen, langen
Marsch ein zentnerschweres Gewicht absetzen.
    Vorsichtig legte er
die Partitur zusammen, sodass ein kompakter Stapel Papier auf dem Pult lag.
Sophie würde ihn morgen früh zum Kopisten bringen, der die Stimmen für die
Aufführung vorbereitete.
    Quantz wollte gerade
das Licht nehmen und sich in sein Schlafgemach zurückziehen, da fiel sein Blick
auf das Blatt, das Andreas mit seinen Noten beschrieben hatte. Es lag noch vor
dem Fenster, wo es nach seiner Flucht zu Boden gefallen war. Vor lauter Arbeit
an seiner Komposition hatte Quantz es vergessen.
    Er faltete es
auseinander. Und da stand das Thema wieder vor ihm.
    Andreas hatte es
hingeschrieben, als sei das gar nichts. Dabei war es nicht weniger als ein
Wunder. Ein Rätsel.
    ***
    Andreas reagierte
zu langsam. Der Schatten bekam ihn am Arm zu fassen und zog ihn in den dunklen
Eingang. Panisch versuchte er sich zu befreien, doch der Griff war eisern.
    Bis zur Hauptwache
war es nicht mehr weit. Zweihundert Schritte vielleicht. Wäre er nur sofort
dorthin gelaufen! Aber er musste erst Herrn Quantz abschütteln, der ihm seine
Melodie hatte stehlen wollen. Andreas hatte nicht verstanden, warum. Eigentlich
war Herr Quantz einer von den Menschen, zu denen man Vertrauen haben konnte.
Nun war Andreas kurz stehen geblieben. Das Blatt mit dem Thema war
verschwunden. Offenbar hatte er es verloren. In diesem Moment hatte der
Unbekannte zugeschlagen und wollte ihn ins Dunkel ziehen.
    »Bleib ruhig«,
zischte eine branntweingeschwängerte Stimme aus dem Loch. »Wenn sie uns
kriegen, haben wir beide Ärger am Hals. Du mehr als ich.«
    Eine Hand legte sich
auf Andreas’ Gesicht. Sie stank nach Erde und Schmutz. Da war keine Haut,
sondern eine dicke Schicht aus Horn und Narben. Das musste der Teufel sein.
    Wärme breitete sich
in seiner Hose aus. Er versuchte zu schreien. Doch er brachte nur ein Ächzen
zustande.
    Von irgendwoher
trappelten Schritte. Soldaten näherten sich. Der Lichtkegel einer Laterne
leuchtete das Loch hinter Andreas aus.
    »Das büßt du mir bald«,
zischte der Mann, gab Andreas einen Stoß, dass dieser auf das Pflaster stürzte,
und rannte in die Nacht.
    Ein brennender
Schmerz am Knie ließ Andreas aufschreien. Mühsam erhob er sich. Seine Perücke
war verrutscht. Er hatte es gerade geschafft, sie zurechtzurücken, als einer
der Grenadiere ihn mit einer Handlampe anleuchtete.
    »He, wer bist du?«,
rief der Mann. Er trug als Einziger einen Hut mit drei Spitzen und nicht die
hohen metallenen Grenadiersmützen. Es musste ein Offizier sein. »Bist du ein
Mädchen? Hast du Angst im Dunkeln?«
    Die Soldaten
lachten. Der Offizier wurde als Erster wieder ernst. »Ein Lakai aus dem
Schloss. Was treibst du dich hier herum?«
    »Den kenne ich«,
rief ein anderer. »Der ist nicht ganz richtig. Verpasst manchmal den
Zapfenstreich.«
    Der Offizier nickte.
»Wir schaffen ihn morgen früh zurück.«
    Zwei Grenadiere
zogen Andreas mit sich fort in Richtung des Wachgebäudes. Es war ihm recht. Nur
weg von dem Teufel.
    »Du scheinst ja sehr
erpicht auf deine Strafe zu sein«, sagte einer der Soldaten.
    Je näher sie der
Wache kamen, desto deutlicher machte sich Erleichterung in Andreas breit.
Schließlich wurde er in das kleine Gebäude geschoben und auf eine Bank gesetzt.
    »Ein
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