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Schatten Der Erinnerung

Schatten Der Erinnerung

Titel: Schatten Der Erinnerung
Autoren: authors_sort
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Raum umherschweifen. Er war klein und schäbig. Die Wände waren mit einem hübschen Rosenmuster tapeziert, aber fleckig und hatten eine gründliche Reinigung nötig. Es gab eine verkratzte Kommode, einen wackligen Schrank und zwei Polstersessel, die weder zueinander noch in den Raum paßten. Bei dem Bett handelte es sich lediglich um ein Feldbett mit einer dünnen Decke, und es gab einen handgewebten Teppich, der schon sehr abgenutzt war. Regina dachte darüber nach, wo sie gelandet war. Obwohl sie ihr Gedächtnis verloren hatte, wusste sie, dass dieses Hotelzimmer nicht dem Standard beziehungsweise nicht ihrem Standard entsprach. Also war das Reisen Elizabeth Sinclair nicht fremd, aber sie war bessere Unterkunft gewohnt.
    Dann entdeckte sie den Spiegel.
    Sekundenlang starrte sie ihn an, dann eilte sie hin. Ihr verletzter Knöchel schmerzte, aber sie ignorierte ihn. Vor dem Spiegel machte sie halt und musterte sich blinzelnd. Ihre Hoffnungen stürzten jäh zusammen, denn sie blickte nicht in ein liebes, bekanntes Gesicht, sondern auf eine blasse, verängstigte Fremde.
    Sie unterdrückte ein Schluchzen und klammerte sich an die Kommodenkante, um nicht zu stürzen. Enttäuschung lähmte sie, und der Schock verursachte ihr Schwindel. Sie atmete tief, und gleichmäßig, um sich zu beruhigen, bis der Boden unter ihr zu schwanken aufhörte.

    Schließlich ging das Gefühl vorüber, auf einem schwankenden Schiff zu sein, der Schwindel verschwand. Immer noch hielt sie sich an der Kommode fest und betrachtete sich so, wie eine Frau eine andere betrachten mochte, die sowohl Neuankömmling als auch Rivalin war. Eine feine Staubschicht lag auf ihrem Gesicht, und Schmutzflecken verunzierten ihr Mieder, aber Regina nahm es kaum wahr. Ihr achtlos auf dem Kopf aufgestecktes Haar hatte, wie Slade gesagt hatte, ein sattes Blond mit einem leichten Rotstich darin. Das Ganze wirkte wie ein schimmernder Berg aus Honig und Gold. Da ihre Haarfarbe sehr ungewöhnlich war, konnte sie verstehen, warum Slade ihr Haar bewundert hatte, aber die Freude, die sie vorher über sein offenkundiges Interesse empfunden hatte, war verschwunden.
    Eindringlich studierte sie ihr Gesicht. Es war oval mit hohen Backenknochen und zart. Sie hatte einen vollen, leuchtend roten Mund, sah zwar blass aus, aber unter dem Staub schimmerte der Goldton ihrer Haut hindurch. Ihre Augen waren hellbraun, bernsteinfarben, ihre Wimpern und Augenbrauen lang und dunkel, was ihr ein betörendes Aussehen verlieh.
    Während sie auf die Fremde im Spiegel starrte, konnte sie rfür hoffen, dass alles ein Traum war. Sie berührte ihre Wange, um sicher zu sein, dass sie wirklich sich selbst betrachtete, und um sich zu vergewissern, dass diese furchtbare, bizarre Episode Wirklichkeit und kein Alptraum war. Ihre Fingerspitzen lagen weich auf ihrer Haut -
    also kein Traum. Der Boden unter ihren Füßen war hart und fest, der Raum um sie herum dreidimensional und nicht eindimensional.
    Ein schlimmer, unwillkommener Gedanke schoss durch ihren Kopf. Sie war aus dem Zug gesprungen. Reginas Puls ging schneller. immer noch konnte sie sich nicht erinnern, allein der Versuch verursachte ihr sofort Kopfschmerzen. Als sie sich jetzt betrachtete, konnte sie verstehen, warum sie aus einem fahrenden Zug gesprungen war. Sie war sehr schön, genau die Art von Frau, die Verbrecher nicht ausraubten, sondern sich für Schlimmeres herausgriffen.
    Was war geschehen? Ein schrecklicher Schmerz bohrte sich in ihren Hinterkopf, als ein Schuss krachte. Sie hielt sich mit den Händen die Ohren zu. Einen Moment lang stand sie vor Furcht erstarrt. Unvermittelt wandte sie sich um, rannte zum Fenster und sah auf die Hauptstraße hinab. Sie lag verlassen da, mit Ausnahme eines überladenen Wagens, der von zwei staubbedeckten Maultieren gezogen wurde. Regina schob das Fenster hoch, aber es ließ sich nur widerstrebend öffnen. Ein warmer Lufthauch umspielte ihr feuchtes Gesicht. Atemlos wartete sie auf einen weiteren Schuss, als ein kleiner Junge auf einem Fahrrad in Sicht kam, der einen Ballon hinten an seinen Sitz gebunden hatte. Statt eines Schusses hörte sie nur einen H und kläffen, Glocken im Wind und Männergelächter aus dem Saloon darunter.
    Da begriff sie, dass sie keinen Schuss gehört hatte. Der Schuss war in ihrem Kopf gefallen. War für einen Moment ihre Erinnerung zurückgekommen?
    Wie betäubt sank Regina in den blauweißen Stuhl. Minutenlang traute sie sich weder nachzudenken, noch sich zu rühren.
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