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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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diesem fast schon zur Neige gegangenen Jahr noch auf mich zukommen würden.
    Julius hakte sich bei mir unter. Der Schneematsch von heute Nachmittag war zu einer schmutzig-welligen Decke gefroren, die unter unseren vorsichtigen Schritten knackte und krachte. Wir erreichten wohlbehalten den Laden, wo wir noch ein paar Bier obendrauf legten.

50
    Logischerweise war Julius in den Tagen nach Weihnachten vollauf beschäftigt. Der Verein hatte eine leer stehende Lagerhalle auf dem Schlachthofgelände gemietet. Der neue Pächter würde erst ab Dreikönig mit dem Umbau und der Einrichtung seines neuen Geschäfts beginnen. Dort ließen sie diegemietete Licht- und Soundanlage aufstellen, errichteten eine provisorische Bar und bunkerten Unmengen von Bier.
    Ich verbrachte noch ruhige Tage. Mein Laden war geschlossen, und ich verschlief einen großen Teil der Zeit. Vor zwölf war mit mir nicht zu rechnen und dann war ich auch nur während eines kurzen Kaffees ansprechbar, weil ich hinüber zu Sabatinos Osteria auf einen Teller Pasta musste. Sabatino war ein gerissener Kalabrese, der jeden Panettone aushöhlen würde, wenn er das Innere ein weiteres Mal verkaufen könnte. Seit meinem Einsatz für seine Verwandtschaft genoss ich jedoch Artenschutz und seit meiner Liaison mit einer Italienerin gehörte ich sogar zur Familie. Als Gast wurde ich schon lange nicht mehr behandelt, man stellte mir einfach die Pasta hin, die ich heute zu essen hatte, und auch um Sabatinos voluminöse Weinschorlen kam ich nicht herum. Kein Wunder, dass ich mich vor dem Nachmittagskaffee noch mal aufs Ohr legte, was mir jedoch nicht schwerfiel, da sich unter meinen Vorfahren ein Bär befunden haben musste, mir jedenfalls die Fähigkeit des Winterschlafs mit in die Wiege gelegt worden war.
    Kurz bevor ich den Tag zum zweiten Mal zündete, zum Nachmittagskaffee also, rief Julius an. Bis dahin hatte ich eine optimale Silvestervorbereitung gehabt.
    – Und, fragte ich, alles gerichtet, alles klar?
    – Bestens. Ein Problem nur …
    Er verstummte.
    – Ja?
    – Wir konnten uns nicht einigen, wer ihn abholt. Er spricht ja nur Englisch. Man möchte ja mit ihm in ein Fachgespräch einsteigen, ist aber beim Autofahren und vor dem Konzert auch nicht so gut…
    Sein Wortgemansche war grausam. Er redete kompletten Blödsinn. Bis er endlich durchschnaufte.
    – … und da dachten wir, dass es besser wäre, wenn eine neutralere Person ihn abholen würde. Du zum Beispiel.
    Jetzt war es raus.
    – Du scheißt dir ja auch nichts, oder?
    Die gestandenen Mannsbilder des Vereins hatten sich zu hysterischen Pubertätsjünglingen zurückentwickelt. Mit ihrem Schlüpfer und einem Teddybär werfen wollen und dabei Auto fahren, das ging verkehrstechnisch nicht zusammen.
    – Wann?
    – Im Vertrag steht, sagte Julius, dass wir ihn Punkt sechs Uhr aus dem Bayerischen Hof holen müssen.
    – Okay. Und wo steht eure Stretchlimousine?
    – Edi fährt einen alten Daimler mit Fellsitzen und Anlage. Raucherwagen. Der wäre es doch, oder?
    – Und du stellst ihn mir vor den Laden?
    – Klar. Halb sechs. Du musst pünktlich sein.
    – Immer.
    – Pacta sunt servanda, verstehst du?

51
    Kurz nach halb sechs Uhr gondelte ich in Edis rot lackiertem Daimler zum Bayerischen Hof. Langsam wurde ich dort Stammgast. Ich fuhr am Haupteingang vor. Ein Hotelportier öffnete den Schlag und fragte, ob er mein Gepäckhineintragen dürfe. Ich sagte, ich sei nur der Chauffeur und hole Herrn Page.
    Meine Nagelstiefel machten sich auf dem feinen Steinfußboden ziemlich gut. Aber das Herz des schnöseligen Empfangschefs hätte ich wohl auch mit einer Stepeinlage nicht gewonnen. Mit seinem pharaonenhaften Hinterkopf und dem tief angesetzten Seitenscheitel hätten sie ihn in jedem Heinz-Erhardt-Film als schrulligen Engländer besetzt.
    – Sie wünschen?
    Er verfügte über das abnorme Vermögen, Kopf und Hals tiefer zu fahren, ohne dabei die Schultern zu bewegen. Ein Geier hinter der Theke.
    – Ich möchte Herrn Page abholen.
    – Page? Page?
    Klackernd tippte er den Namen ein und blätterte auf dem Bildschirm hin und her.
    – Vorname?
    – Jimmy, vielleicht auch unter James zu finden.
    – Ach, sagte er, Sie meinen den Gitarristen?
    – Genau den.
    In seinem Gesicht arbeitete es.
    – Warum sagen Sie das nicht gleich? Der sitzt noch mit seinen Kumpels auf ein Bierchen an der Bar.
    – Kumpels?
    – Na, Eric Clapton und Alvin Lee. Sehen sich ja auch nicht alle Tage.
    Mühsam beherrscht wandte er sich mir
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