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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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sofort auf. Die Bescherung hatte bereits begonnen. Ein weiteres Mal bat mich unser Herr Kardinal, Erzbischof von München und Freising, zu einer Bischofskonferenz der ehrenamtlichen Nikoläuse. Fünfzehn Uhr im erzbischöflichen Palais, bitte in Zivil. Was hatte der Mann Humor!
    – Vielen Dank! Dann auch Ihnen frohe Weihnachten!
    Unschlüssig stand er da. Ich wusste genau, warum. Er hatte keine Ahnung, wie er das Gespräch anpacken sollte.
    – Wollen Sie noch was sagen?
    Wie ein Fisch an Land ruckte, zuckte und zappelte etwas in ihm. Sein wechselnder Gesichtsausdruck war gediegene Kinounterhaltung in Stummfilm-Ausfertigung. Ganz klar, den vermeintlich geistlichen Schutz wollte er nicht so ohne Weiteres preisgeben.
    – Haben Sie es auch gehört? Der Knaller ist nicht mehr aktiv. Hat sich endgültig zur Ruhe gesetzt, gab ich dann doch den Anstoß.
    Er nickte.
    – Kann ich bestätigen.
    – Ob man die anderen Fälle je wird aufklären können?
    Er wiegte den Kopf.
    – Das frage ich mich auch. Ein Geständnis soll ja vorliegen. Schriftlich.
    Anerkennend nickte ich ihm zu.
    – Aber es wird wohl ein Testament werden, setzte er rasch hinzu.
    – Von mir aus.
    Erleichtert gab er mir die Hand.
    – Schöne Weihnachten!
    – Ebenso.
    Er trottete durch den Matsch davon.
    Ich beendete meine Arbeit am Baum, stellte das gute Stück in die Wohnung und schmückte es mit den Restbeständen meiner Kollektion. Dann setzte ich mich ans Telefon und rief bei ein paar Bekannten durch, die als Geistwesen durch meinen Kopf huschten und mich traurig ansahen, weil ich ihnen schon wieder keine Weihnachtskarte geschrieben hatte. Selbstverständlich meldete ich mich auch bei Emma, ließ mich ausführlich über Schwiegermamas Beschwerden unddie gradi in Messina informieren. So früh am Tage konnte ich noch ohne sentimentalische Verstrickungen parlieren. Ich versprach ihr hoch und heilig, spätestens Dreikönig zu einer schönen Bescherung anwesend zu sein. Anschließend entkorkte ich das erste Fläschchen der Weihnachtsedition und öffnete damit das Kalendertürchen zum Vierundzwanzigsten. Natürlich aß ich Schnittchen dazu, wer möchte schon angetrunken in diesen Tag taumeln?

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    Viel Zeit verwendete ich darauf, die korrekte Kleidung für die anstehende Bischofskonferenz auszusuchen. Ich probierte vieles an und landete zu guter Letzt doch wieder beim bewährten Gehrock, der für die priesterliche Soutane das ist, was der Stutzflügel für das Konzertpiano bedeutet.
    Das Schöne an München ist, dass doch alles recht nah beisammen liegt. Das Palais unseres Kardinals befindet sich unweit des Bayerischen Hofs in der Kardinal-Faulhaber-Straße, vorbeigelaufen ist man ja schon oft, nur dieses Mal durfte ich tatsächlich hinein. Der Ordnerdienst wurde von Jungmannen geleistet, die ihrer Statur wegen in jedem Kolpinghaus als Handwerksburschen Einlass erhalten hätten. Man zeigte nochmals seine Einladung und setzte sich dann an einen bereits gedeckten Kaffeetisch, für den irgendwelche barmherzigen Schwestern Unmengen von Christstollen und Plätzchen gebacken hatten.
    Viele der Kollegen kannten sich bereits und schütteltensich die Hände. Die meisten waren schon ältere, gestandene Herren, vom Typ her Mitglieder des Pfarrgemeinderats, denen Mutti zur Feier des Tages den Nacken ausrasiert hatte, oder eben Oberministranten mit von Drogen unverschatteten, blanken Knopfaugen. Alle waren sie jedoch bibelfest und redegewandt und wussten den letzten Pfarrbrief ebenso zu kommentieren wie die Enzyklika Deus caritas est . Da konnte unsereiner natürlich nicht mithalten, war aber gewieft genug zu wissen, dass man mit der Frage: Gibt’s auch einen Schnaps dazu? große Heiterkeitsstürme bei diesen freundlichen Menschen entfachen konnte.
    Dann trat unser Herr Kardinal vorne ans Mikrofon und begrüßte die Kollegen, was ihm schon im Ansatz die ersten Lacher einbrachte. In bewegenden Worten erzählte er die Geschichte des sagenhaften Bischofs von Myra, dem Ur-Nikolaus, der mit seinen Geschenken junge Frauen vor der Prostitution und junge Männer vor der Verwurstung durch einen schurkischen Metzger rettete. Bei theologischen Differenzen verteilte der temperamentvolle Mann schon mal Ohrfeigen. Eine gewisse Wesensverwandtschaft zwischen uns war nicht von der Hand zu weisen. Vieles von den Schilderungen seiner Großherzigkeit kannte ich schon zur Genüge, aber man konnte das nicht oft genug hören, schon gar nicht, wenn es aus dem Mund des Kardinals kam. Das
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