Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
Lebkuchenbruchtüte erspäht. Er deutete darauf.
    – Kannst du wegputzen.
    Er schnalzte mit der Zunge und kniff verschwörerisch das linke Auge zu.
    – Tutto completo, wenn du magst.
    Weg war er.

10
    Ich lag noch lange wach. Nur Schwester Evi hätte gewusst, ob die gelbe, rote oder weiße Pille eher den Schlaf brachte. Aber wahrscheinlich war es egal. Ein Pfleger hatte mir gesteckt, dass das Drogenkonzept im Krankenhaus wie das Kaskadensaufen angelegt ist: Die erste Pille dimmt dich auf Friede herunter, mit der zweiten wird dir das Licht ausgeknipst und mit der dritten dreht man vorsichtshalber auch noch deine Hauptsicherung bis zum nächsten Morgen heraus. Ich hatte keine genommen, um mich nicht schon wieder in Watte zu packen. Draußen war alles ruhig. Ich streckte den Kopf aus der Tür. Der leere, dunkle Gang war gruselig. Ich schlüpfte in den Morgenmantel aus dem Nachlass des Barons von Reisewitz, den mir Julius aus meinem Kleiderfundus mitgebracht hatte. Ich besaß leider keines dieser gestreiften Frotteeteile und musste mir nun den hausinternen Spitznamen Großfürst Wladimir gefallen lassen, denn das schwarze, schwere Teil war auf der linken Brustseite mit einem faschingsprinzen-großen Monogramm bestickt. Wie ein Großväterchen taperte ich den Gang entlang und drehte eine Stockwerkrunde bis zur Besucherbucht mit Sesseln und Tischchen, auf die man Tannenzweige mit Kerzen gestellt hatte. Hier war aber nichts so normal wie draußen, idyllisch adventhaft schon gar nicht.
    Ich setzte mich. Plopp, plopp machte die große Schwingtür, durch die man unsere Station betrat. Dann war nichts mehr zu hören. Ich kniff die Augen zusammen. Eine Gestalt näherte sich auf leisen Sohlen. Von der Statur her zweifellos ein Mann. Er trug einen langen weiten Mantel und einenhelmförmigen Lodenhut nach Art der Gebirgsschützen. So ein Schleicher gehörte nicht hierher. Ich verhielt mich ruhig. Er stand vor meiner Zimmertür, vergewisserte sich noch einmal der Nummer, drückte dann sacht die Klinke und ging hinein. Dankbar wie ein Junkie spürte ich die Adrenalinausschüttung. Beim Check der Systeme allerdings wurde schnell klar, dass ich mit meiner weichen Birne immer noch keiner Auseinandersetzung gewachsen war. Ich rückte meinen Stuhl ein Stück weiter in die dunkle Ecke und wartete ab. Nach einer Weile kam der Mann aus meinem Zimmer heraus und schaute sich unschlüssig um. Da näherte sich von der anderen Seite Schwester Evi auf ihren Flip-Flops. Geräuschlos wie er gekommen war, verschwand der geheimnisvolle Gebirgsschütze.
    Ich guckte in mein Zimmer. Der Unbekannte hatte den Schrank und die Schublade meines Nachttischs durchsucht. Allerdings fehlte nichts, auch mein Geldbeutel war unangetastet geblieben.
    Mein Herz pochte, an Schlaf war noch nicht zu denken. Ich ging wieder nach draußen und nahm in der Sitzecke Platz. Für Bettflüchtige wie mich hatte man eine Leselampe bereitgestellt, und so blätterte ich in den alten Zeitungen und Magazinen, die dort auslagen. Trotz meines lädierten, erinnerungsunfähigen Schädels hatte ich das Gefühl, das alles schon so oft gelesen zu haben, dass ich die Geschichten auswendig hätte hersagen können. Weil es am Nikolausabend schönen Schnee gegeben hatte, lautete der aktuelle Aufmacher selbstverständlich München – ein Wintermärchen. Außerdem las ich von einem Serienbankräuber, dem Knaller , wie er genannt wurde. Bei dem Knaller handelte es sich nach den undeutlichen Aufnahmen der Videokamera wohl um einen älterenHerrn. Er hatte in den letzten Jahren immer wieder dieselbe Bank in Harlaching besucht, einen Revolver gezogen und stets denselben Satz gesagt: Geld her, oder es knallt! In der Regel begnügte er sich mit einigen Zehntausend Euro, schob die Beute in einen Rucksack und verschwand. Sommers mit dem Rennrad, winters auf Skiern. Wahrscheinlich war er das Isarhochufer hinuntergebrettert und dann Richtung Grünwald oder Innenstadt verschwunden.
    Die Station blieb ganz ruhig, alle Patienten waren in den drogengestützten Schlaf gefallen. Nur von hinten aus der Teeküche neben dem Stationszimmer drang gedämpftes Lachen und das würzige Aroma von Glühwein. Der Nachtdienst ließ es krachen. Ich stand auf, holte aus meinem Zimmer den Pillenriegel und ging zur Teeküche.
    – Tausche Pillen gegen ein Pöttchen Glühwein.
    Schwester Evi und dem jungen Pfleger war es peinlich, dass ich sie erwischt hatte. So stieß ich auf wenig Widerstand und bekam den gewünschten Becher.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher