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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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Schlagzeugdarbietung mehr hineinzukriegen. Damit waren Monumente wie die Langfassung von In-A-Gadda-Da-Vida , Spoonful oder der zwei LP-Seiten umfassende Refried Boogie dem Untergang geweiht, es sei denn, eine entschlossene Gruppe nähme diesen Übelstand als pädagogische Herausforderung an.
    Also gründeten sie den Verein zur Förderung zeitgenössischer Musik. Die vorwiegend als Bewährungshelfer arbeitenden Sozialpädagogen in der Gruppe schrieben kluge Anträge an das Kulturreferat und bekamen Unterstützung fürVeranstaltungen bewilligt, in denen die integrative Kraft zeitgenössischer Musik erprobt werden sollte. Die mit allen Wassern gewaschenen Praktiker wussten ganz genau, dass Anspruch und Wirklichkeit in ihrem Metier sowieso immer eine Schere bilden und dass man Mäuse nur mit Speck fängt. Also wurde die städtische Unterstützung komplett in Freibier umgesetzt, Musik und Anlage waren vorhanden, den Saal stellte der Bierlieferant. Bereits der erste Abend war ein großer Erfolg, ein randvoller Saal von jungen Leuten, die Freibier süppelten und sich musikalisch in die siebziger Jahre einführen ließen. Die alten Herren stolzierten wie King Curtis übers Parkett und schäkerten mit den Mädels.
    Diese Geschichte kannte ich, die neue Wendung im Wirken des Vereins allerdings noch nicht. Auf ihrer letzten Studienreise nach Hamburg hätten sie sich im Salambo mit Finn Dunbar, einem schottischen Musikagenten, angefreundet, der zu erzählen wusste, dass Jimmy Page zum Jahreswechsel in München sein würde, um Studioaufnahmen zu machen.
    – Der Rest, sagte Julius, war ziemlich einfach, auch wenn es lange gedauert hat. Finn hat ihn kontaktet und zu einem kleinen Clubgig überredet. Solo, aber mit seiner doppelläufigen Gitarre.
    Finn sei dann extra runter nach München gekommen, um den Vertrag und ausgedehnte Kneipentouren mit dem Vereinsvorstand zu machen.
    – Sagtest du: doppelläufig? Das klingt mehr nach Henrystutzen oder Bärentöter. Du bist doch der Gitarrist. Das sind Hälse, oder?
    Julius grinste verlegen. Wie ertappt.
    – Schon. Aber Doppelhals! Das klingt doch irgendwie krank. Wie Doppelherz. Und darum geht es doch nicht.
    – Sondern?
    Julius reckte sich, zog den Bauch ein und pumpte den Brustkorb heraus. Der alte Silberrücken gab am Fußende meines Betts den Kraftkerl. Das T-Shirt hielt dem Zug nicht stand und schlüpfte aus der Hose. Wie man sah, kam er dank guter Polsterung auch leicht bekleidet durch den Winter.
    – Mann, Gitarre, Macht! Und du weißt, was das heißt!
    – Sag’s mir!
    In einer fast anmutig zu nennenden Drehung wirbelte er um die eigene Achse, ging dabei immer weiter in die Knie und deutete auf seiner Luftgitarre einen gewaltig durchs Krankenzimmer wabernden Akkord an.
    – Wanna fuck you all night long, baby!
    Wir hatten beide nicht bemerkt, dass Schwester Evi, auf dem Tablett mein Mittagessen, das Zimmer betreten hatte. Mit erstaunter Anteilnahme musterte sie ihn. Julius’ Birne färbte sich knallrot.
    – Und für solche Höchstleistungen, fragte sie, ist so ein Modell Woodstock, Baujahr …
    – … zweiundfünfzig, ergänzte ich.
    – … noch ausgelegt? Ihr mögt es ja draufhaben, ihr Hippies!
    Julius war sichtlich in Nöten, einen ehrenvollen Abgang hatte er bereits verwirkt. Geistig könnte man sich im Nu verflüchtigen, aber der erdenschwere Leib erspart uns nicht einmal die peinlichste Präsenz. Julius wich nach hinten zurück und setzte sich tastend auf die Bettkante. Ich legte meinen Arm freundschaftlich um ihn. So geschützt, versuchte er stopselnd eine Erklärung
    – Es geht mehr ums Prinzip. Den Geist der Musik. Verstehen Sie? Reine Kraft. So in diesem Sinne.
    – Aber mehr platonisch inzwischen, warf ich ein.
    Schwester Evi platzierte das Tablett auf dem Nachttisch.
    – Dass Sie auch wieder zu Kräften kommen.
    Unschlüssig blieb Julius auch nach ihrem Abgang auf dem Bett hocken. Endlich erhob er sich, packte seine Jacke und steuerte Richtung Tür. Es sah so aus, als wollte er grußlos verschwinden.
    – Bei dir gerät man in Situationen, Mannomann!
    Kopfschüttelnd, die Hand auf der Klinke fixierte er mich. Schließlich besann er sich und seufzte tief.
    – Was soll’s, geht auch vorbei! Beinahe hätte ich vergessen, dass du ja krank bist.
    So kannte ich meinen Julius. Im Verzeihen war er genauso groß wie im Einschnappen.
    – Schon recht, sagte ich. Aber jetzt verschwinde, sonst werde ich nie wieder gesund.
    Von der Tür hatte Julius seine
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