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Schampanninger

Titel: Schampanninger
Autoren: Max Bronski
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wenn ein Depp wie ich ihn fragte schon dreimal nicht.
    – Ist schon recht, sagte ich.
    Ich ging den Gang hinunter und drückte vorsichtig die halb offene Tür zu seiner Stube auf. Berni hatte sich Susi, seine Lieblingsbedienung, gegriffen und versuchte, ihr mit einer Hand unter den Rock zu fassen, und hielt sie mit der anderen an sich gepresst. Susi schob ihn weg. Berni protestierte.
    – Jetzt komm, geh her da!
    Wahrscheinlich hatte dieser alte Saubär zu wenig Ingwerwürfel in seinem Schampanninger gehabt, klar im Hirn war er jedenfalls nicht mehr.
    – Lass das. Ich mag nicht.
    – Hey, Berni, rief ich.
    Susi ging auf Distanz, strich ihr Dienstdirndl glatt und lief mit hochrotem Kopf an mir vorbei.
    – Was willst du denn noch, raunzte Berni.
    – Mit dir reden.
    Ich hielt das Tütchen hoch.
    – Darüber.
    – Was soll das sein?
    – War bei den Unterlagen, die du mir gegeben hast: Koks.
    – Schmarren!
    Dann tat es einen fürchterlichen Schlag. In Bernis Gesicht spiegelte sich unbändiges Triumphgefühl, schließlich blähte es sich zu einem höhnisch grinsenden Ballon, der über mir hing. Gleich würde er platzen. Seine groteske Fresse wurde zum Abschiedsbild, mit dem ich mich für längere Zeit aus dieser Welt verabschiedete. Bis zuletzt wehrte ich mich gegen die schmerzhafte Gewissheit, dass man mir mit einem Trumm aus Holz eins über den Schädel gezogen hatte. Das muss der Bierschlegel gewesen sein, folgerte ich. Maillinger? Oder der grobschlächtige Schankkellner? Mit diesen letzten Gedanken waren alle Lichter ausgeknipst.
    Ich wachte auf, weil ich fror. Orientierung hatte ich kaum, aber wenn ich es halbwegs richtig einschätzte, hatte man mich in den Keller in einen Vorratsraum gebracht. In Regalen waren Lebensmittel gestapelt, in Eisschränken und Kühltruhen Getränke und Fleisch. Mir war hundeelend zumute, mein Kopf schmerzte. Die Perücke hatte sich mit Blut vollgesogen, aber Gott sei Dank hatte ich sie aufgehabt, der Schlag hätte mich sonst ungebremst getroffen. Selten genug, aber in dieser Verfassung war ich außerstande, mich noch mit irgendjemandem herumzuprügeln. Deshalb hatte ich nur die Chance, über das Fenster nach draußen zu entkommen. Allerdings war die Luke so weit oben unter der Decke, dass ich eine Kühltruhe heranrollen musste, um sie zu erreichen. Aber auch das brachte mich nicht weiter, der Fenstergriff war durch ein Schloss gesichert. Ich stieg von der Truhe. Die kleinste Bewegung meines lädierten Schädels bereitete mir höllische Schmerzen. Schon meine Mutter sagte gerne, ich sei zäh wie Juchtenleder, aber jetzt hätte ich weinen mögen. Oder verzweifeln. In diesem Zustand ist man zu allem fähig, was Besserung verspricht. Mit zwei Schweinshaxen aus der Truhe warf ich das Glas ein und schlug die Reste mit einem Rehschlegel heraus. Nun zwängte ich mich nach oben durch ins Freie. Ich stolperte durch die enge Gasse Richtung Tal.
    Wie ich das in meiner Verfassung bewerkstelligen konnte, bleibt rätselhaft. Sicher ist, dass ich irgendwie auf dem Rücksitz eines Taxis anlangte, dann gingen zum zweiten Mal an diesem Tag alle Lichter aus. Diesmal für länger.

8
    Was ich über die Zeit danach weiß, musste ich mir später mit der Hilfe anderer mühsam erarbeiten: Zwei Tage lag ich in einem abgedunkelten Zimmer in der Chirurgie und dämmerte vor mich hin. Danach begann eine Phase, in der ich zwar sah, hörte und fühlte, in der ich aber außerstande war zu verstehen, was es damit auf sich hatte. Normalerweise galten die letzte Sorge beim Einschlafen und die erste beim Aufwachen meinem Laden. Nun war er mir abhandengekommen, ich wusste nichts mehr von ihm. Mir war wie einem Karpfen zumute, den sie abgefischt, auf den Kopf gehauen und dann doch wieder in die trübe Brühe zurückgeworfen hatten. Als sich die dichten Nebelschleier vor meinem inneren Auge zu lichten begannen, saß ein dicker Mann an meinem Bett, der angefangen hatte, das Nachtischkompott frisch aus den Vorratskatakomben des Krankenhauses auszulöffeln, das mir offenbar irgendeine Schwester fürsorglicherweise auf den fahrbaren Tisch gestellt hatte.
    – Was machen Sie hier?
    Der Dicke wischte sich ungelenk über den Mund und schluckte das Kompott hinunter, bevor er antwortete.
    – Ich bin es doch, dein Freund Julius.
    Den ersten Blick auf ihn habe ich nicht vergessen. Man liebte seine Freunde, man hasste sie auch mal, sie wurden einem lästig oder bereiteten einem Freude, egal was, man bewegte sich in der Beziehung zu
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