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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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1
    Samstag
    A dventuretrip?«
    Ásbjörns bellende Stimme geht im Straßenlärm unter, und ich muss meine Frage ins Handy schreien. In dieses verdammte nagelneue Mobiltelefon, das er mir aufgezwungen hat. Ich hasse Geräte, die es anderen ermöglichen, mich jederzeit und an jedem Ort zu erreichen. Und die es mir ermöglichen, andere jederzeit und an jedem Ort zu erreichen. Was hat man davon? Ständigen Empfang. Verbindung zur Außenwelt. Was zerstört man dadurch? Ruhe. Distanz zur Außenwelt.
    »Was?«, brüllt Ásbjörn zurück.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich hab gesagt, es gab einen Unfall bei einem Adventure …«
    Sein Satz verhallt.
    »Was für ’n Unfall?«
    Stille.
    »Ein Unfall? Wo denn?«
    Keine Antwort. Die Verbindung ist unterbrochen. Ich lege das Telefon in meinen Schoß, fahre an den Straßenrand und halte an. Irgendwann habe ich mal gelesen, der ständige Handykontakt erleichtere Verbrechen. Andererseits erschwere er die Arbeit von Krimiautoren wegen der ständigen Kontakte des Helden oder des Opfers; Spannung und Lebensgefahr, die aus Verbindungslosigkeit entstehen, gäbe es kaum noch. Oder kann Verbindung sogar spannender und lebensgefährlicher sein als Verbindungslosigkeit?
    »Was ist los?«, fragt Jóa. Sie schaut mich vom Beifahrersitz aus schief an. Sie ist stämmig und trägt eine dicke blaue Daunenjacke.
    Ich zünde mir eine Zigarette an. »Ásbjörn hat irgendwas von einem Unfall hier in der Nähe gefaselt. Dann war die Verbindung weg.«
    Jóa schaut sich um. »Wir sind hier mitten im Gebirge, Einar.«
    Ich kurbele die Fensterscheibe herunter und blase den Rauch in die feuchte Luft. Augenblicklich beginnt es zu regnen. Protestiert da etwa jemand? Will jemand von da oben den Brand löschen?
    »Wunder der Technik«, murmele ich.
    »Sie reichen noch nicht so weit«, erklärt Jóa, »nicht hier im Norden. Die Funksignale kommen nicht über die Berge.«
    Sie hat mich missverstanden. Ich meinte die himmlische Feuerwehr. Die Rauchmelder des Allmächtigen.
    »Das kann doch nicht sein«, sage ich und lasse meinen Blick über die Landschaft schweifen. »Das Hjaltatal ist nicht so schmal, dass die Berge die Handyverbindung kappen könnten. Die Berge hier sind gar nicht so hoch.« Ich versuche, einen theatralischen Schauspieler nachzuahmen: »Ihre Formen sind wie aufgepumpte Silikonbrüste am Körper der Landschaft.«
    »Hört, hört!«, lacht Jóa. In ihrem Lachen schwingt ein leicht tadelnder Tonfall mit. Dann blickt sie sich um und fügt hinzu: »Du bist zwar kein begnadeter Dichter, aber du hast schon recht. Ganz hübsch, diese Brüste.«
    Jóa und ich haben von Natur aus einen ähnlichen Geschmack in Bezug auf weibliche Schönheit.
    »Vielleicht sträubt sich die Landschaft einfach gegen diesen ständigen Elektrosmog«, nörgele ich. »Das kann ich gut verstehen!«
    Ich nehme das blöde Handy und rufe Ásbjörn an.
    Er ist stinksauer. »Warum hast du eben aufgelegt?«
    »Ich hab nicht aufgelegt. Du musst versehentlich auf irgendeine Taste gedrückt haben.«
    »Ich hab auf keine Taste gedrückt.«
    »Doch.«
    »Du hast selbst aus Versehen auf eine Taste gedrückt. Du kannst sowieso nicht mit dem Ding umgehen.«
    Ich zwinkere Jóa zu. »Okay, okay. Schon gut. Hast du nicht eben was über einen Unfall gesagt?«
    »Eine Frau ist in den Gletscherfluss Vestari Jökulsá gefallen. Vielleicht ist sie ertrunken. Habt ihr die Interviews mit den Gymnasiasten gemacht?«
    »Ja, ja.«
    »Wo seid ihr?«
    »Im Hjaltatal. Sind eben in Hólar losgefahren.«
    »Dann seid ihr ganz in der Nähe. Krankenwagen und Polizei sind unterwegs und vielleicht schon in Varmahlíð eingetroffen. Die Leute sind mit ihren Jeeps in den Ort gefahren, um da auf den Krankenwagen zu warten.«
    »Was meintest du denn mit Adventuretrip?«
    »Also, die Belegschaft einer Firma hier aus Akureyri hat an einem Adventuretrip teilgenommen.«
    »So ein Ausflug, um den Gemeinschaftsgeist zu fördern? Ein kollektives Besäufnis unter dem Deckmäntelchen der Gruppendynamik?«
    »Dazu kann ich nichts sagen. Du und deine ewige Wortklauberei. Wir haben gute Chancen, die Sache exklusiv mit Fotos und Interviews zu bringen. Also halt’s Maul und gib Gas.«
    Ich höre nicht auf ihn. »Ásbjörn, das klingt ganz so, als würde unser kleines Büroteam in Akureyri auch dringend einen Adventuretrip benötigen. Zur Förderung des Gemeinschaftsgeistes, zur Stärkung der Solidarität, der Kampfbereitschaft, der Liebe, der Achtsamkeit …«
    Er sagt
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