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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
Autoren: Martina André
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sie losstürmten, wussten sie genau, was sie wollten. Und so tauchten sie nur Minuten später aus dem zerstörten Eingang wieder auf – einer nach dem anderen, mit Gewehren und Pistolen in ihren schwieligen Arbeiterhänden. Die Mützen allesamt tief in die entschlossenen Gesichter gezogen, sahen sie aus wie Soldaten auf einem siegreichen Feldzug. Doch das gegnerische Heer ließ nicht |20| lange auf sich warten. Berittene Polizisten, den Aufständischen an Zahl mindestens ebenbürtig, umkreisten die Waffenfabrik. Schneller als Leo sich orientieren konnte, eröffneten sie das Feuer. Sein einziger Gedanke galt Katja. Wie angewurzelt stand sie völlig frei in der Einfahrt des Hofes.
    »Runter!«, schrie Leonard, doch seine Stimme war zu heiser, um noch eine Wirkung zu entfalten, und so blieben ihm nur seine vom vielen Laufen durchtrainierten Beine, um Katja rechtzeitig zu erreichen, bevor sie eine Kugel traf. Es zischte und krachte. Trommelfeuer ratterte über die leer gefegten Plätze.
    Davydovs Männer bewegten sich wie flüchtende Ratten um Mauern und Ecken, während sie aus der Deckung heraus das Feuer der Polizisten erwiderten.
    Leonards Herz klopfte zum Zerbersten, als er Katja endlich erreichte und sie zu Boden warf. Halb unter ihm begraben, lag sie wie hypnotisiert, unfähig sich zu bewegen.
    »Komm! Wir müssen hier verschwinden«, zischte er und packte sie an der Kapuze ihres Mantels. Auf Knien rutschten sie zum nahe gelegenen Wachhäuschen, während ihnen die Geschosse nur so um die Ohren pfiffen. Erst im Schutz der Hütte kamen sie wieder zu Atem. Der Wächter war tatsächlich tot. Er stierte sie aus leeren Augen an. Seine Jacke war auf Höhe der Brust blutdurchtränkt.
    Katja schluchzte auf und barg ihren Kopf an Leonards Schulter.
    Unentwegt hallten Schüsse von den Mauern wider. Energische Männerstimmen brüllten Befehle, dazu das Wiehern der Pferde, deren Hufe in dumpfem Galopp über die verschneiten Straßen donnerten. Im Nu schien das ganze Gebäude umstellt zu sein.
    »Verdammt!«, stieß er hervor. »Wir müssen hier raus!«
    Plötzlich huschte ein Schatten zur Tür hinein. Es war Alexej Davydov. In seiner Hand lag ein schwerer Trommelrevolver und in der anderen ein Schnellfeuergewehr.
    »Los, los«, keuchte er. »Ich zeige euch einen Fluchtweg. Folgt mir!«
    Leonard war für einen Moment unsicher. Nichts rechtfertigte ein noch so geringes Maß an Vertrauen in diesen Taugenichts. Und doch blieb ihnen kaum etwas anderes übrig, um einen Ausweg aus diesem Chaos zu finden. Hinter einer dichten Hecke folgten sie Alexej in geducktem |21| Laufschritt in Richtung Nebereznaya Ulitsa, um unbeschadet zum Friedhof zu gelangen. Vielleicht konnten sie sich dort in der Kirche verstecken, hinter dem Altar oder darunter, ganz gleich wo. Hauptsache, sie waren in Sicherheit. Doch als sie die Straße überqueren wollten, stellte sich ihnen ein älterer, fülliger Polizist in den Weg. Sekundenlang starrten sich Davydov und der alte Mann in die Augen, dann erhob der Polizist seine Waffe, um auf Katjas Bruder zu schießen. Ein Schuss krachte. Stöhnend brach der Uniformierte zusammen. Ein Bauchschuss hatte ihn niedergestreckt. Doch es war nicht Alexej, der geschossen hatte.
    Katja hielt, weiß wie eine Wand, eine Pistole in Händen, wo auch immer sie diese hergeholt hatte. Für einen Moment stiegen kleine Rauchwölkchen aus der Mündung.
    Im Nu waren Berittene im Anmarsch. Leonard dachte nicht nach und achtete auch nicht mehr auf Alexej, der sich ohnehin aus dem Staub gemacht hatte. Er zog das Mädchen von den Füßen und rannte mit ihr davon. Quer über den Friedhof, zwischen mannshohen Marmorengeln und uralten Bäumen konnten sie einen Vorsprung herauslaufen, doch ihre Verfolger blieben ihnen dicht auf den Fersen.
    Sie liefen um ihr Leben. Die Kamskaya Ulitsa entlang, dann zwischen Häuserreihen, im Schutz von Ladeneingängen und deren Vorbauten erkämpften sie sich Meter um Meter. Kein Denken mehr daran, sich in irgendeiner Kirche zu verschanzen.
    Einen Moment hielt Leonard inne. Das hechelnde Mädchen im Arm suchte er fieberhaft nach einem Ausweg, während er hinter einem Bretterverschlag hervorlugte. Nach Hause wollte er. Sie mussten es schaffen, unbemerkt zu seiner Wohnung zu gelangen. Im Keller des alten Eisenstein würde sie niemand vermuten – zumindest vorerst nicht.
    Umgeben von einem Heer von Pilgern, die sich vor der Haseninsel, auf Höhe der Peter- und-Paul-Kathedrale versammeln wollten, schoben sie sich
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