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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
Autoren: Martina André
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daran, Leonards Protest zu erhören.
    »Euch Terroristengesindel werden wir das Morden und Bomben schon austreiben«, grunzte er selbstzufrieden.
    Fünf, sechs … beim neunten Schlag hatte Leonard aufgehört zu zählen. Vor lauter Pein spürte er gar nichts mehr. Die Haut über seinem Gesäß war aufgeplatzt, und das Blut lief ihm die Hüften hinunter.
    Hin und wieder machte sein Peiniger eine Pause und stellte Leonard |26| eine Besserung seiner Lage in Aussicht, wenn er die Namen seiner Hintermänner verraten würde.
    Doch was sollte Leonard sagen? Dass Alexej Davydov hinter all ihrem Unglück steckte? Dann hätte er Jekatherina samt ihrer Familie nur noch weiter in den Abgrund gerissen.
    Die Tür wurde plötzlich geöffnet; ein bulliger Kerl in den Fünfzigern trat ein. Seine prachtvolle Uniform ließ auf einen Oberst der Zarenarmee schließen, und seine blutunterlaufenen Augen verrieten ein Zuwenig an Schlaf und ein Zuviel an Wodka.
    Er trat an den Tisch heran, seine kräftigen Hände griffen in Leonards blonde Locken, wie in ein Schaffell, dessen Qualität er zu prüfen gedachte. Barsch riss er dem völlig erschöpften Deutschen den Kopf in den Nacken und überstreckte dessen Hals, bis der Adamsapfel unnatürlich hervortrat. Ungewollt entwich Leonard ein angstvolles Keuchen, dabei weiteten sich seine Augen wie bei einem Stier, der zur Schlachtbank geführt wird.
    »Sieh an«, raunte der Offizier dunkel. »Ein deutscher Studiosus verbündet sich mit den Aufständischen. Wer hätte das gedacht?« Er ließ Leonards Kopf so schnell los, dass dessen Stirn auf die Tischplatte schlug. »Ich dachte immer, die Deutschen seien ein Vorbild an Moral und Ordnung? Sollte sich das vielleicht ändern? Nicht auszudenken, wenn die Zarin davon erfährt. Es würde ihr das Herz brechen.«
    »Ich will sofort einen Advokaten sprechen«, stieß Leonard noch einmal verzweifelt hervor. »Mein Vater ist ein angesehener Ingenieur in Königsberg. Er arbeitet für die AEG. Und ich bin ein unbescholtener Student am Polytechnischen Institut von Sankt Petersburg. Ich habe nichts Unrechtes getan. Ihr könnt mich nicht einfach festhalten und foltern. Das spricht gegen jegliches Recht!«
    Die Lippen des Offiziers wurden von einem monströsen rötlichen Schnauzbart verdeckt, der bereits von Silberfäden durchzogen war. Nur an seinen erheiterten Gesichtszügen konnte Leonard erkennen, dass er sich über ihn lustig machte.
    »Mein lieber Junge«, begann der Offizier süffisant. »Du hast auf offener Straße einen Juden erschlagen. Und deine kleine Freundin hat einen tapferen Kameraden des Polizeiregiments auf dem Gewissen. Glaubst du ernsthaft, dass deine Herkunft oder deine Verbindungen |27| dir unter diesen Umständen noch etwas nützen? Dein Vater wird wünschen, dich niemals gezeugt zu haben, und deine Universität wird deinen Namen schneller aus den Büchern löschen, als du denken kannst.«
    Leonard schloss verzweifelt die Augen, und während erneut Tränen darin aufstiegen, biss er die Zähne zusammen, um nicht aufzuschluchzen.
    »In dieser Stadt hat es schon viel zu lange kein Todesurteil mehr gegeben«, bemerkte der Oberst kalt. »Und es wird Zeit, dass sich dieser Zustand grundlegend ändert. Ich frage mich fortwährend, in welchem Zustand sich unsere Justiz befindet, wenn Terroristinnen heimtückische Attentate auf Generäle verüben dürfen und dafür von einer völlig entarteten Gerichtsbarkeit freigesprochen werden. Es dauert nicht lange, dann haben wir Zustände wie zu Zeiten Alexander II. Fehlt nur noch, dass ihr einen Tunnel zum Palast des Zaren buddelt und Dynamit hineinsteckt. Großfürst Wladimir hatte Recht. Es war eine gute Entscheidung, den Zaren aus der Stadt in Sicherheit zu bringen.«
    Leonard schluckte. Also war der Zar gar nicht anwesend, und die vielen Menschen, die er auf dem Weg zur Festung am Wegesrand gesehen hatte und die offenbar von übernervösen Militärs erschossen worden waren, hatten ganz umsonst ihr Leben gelassen.
    »Der Generalgouverneur höchstselbst wird dafür sorgen, dass man an dir und deiner kleinen Freundin ein Exempel statuiert«, fuhr der Oberst fort. »Noch in dieser Woche wird ein Militärtribunal darüber entscheiden, was mit euch beiden zu geschehen hat. Und seid gewiss, wir werden in dieser Angelegenheit nichts dem Zufall überlassen. Die Bevölkerung und vor allem die Aufständischen werden erst von der Sache erfahren, wenn sie erledigt ist. Wenn ihr erst tot seid, werden sie schon merken,
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