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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf
Autoren: Tommie Goerz
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Sexualstraftäter handeln so, uiuiui. Erzählen Sie das bloß nicht weiter. Und dann kamen Sie. Prost!«
    Das neue Bier war da.
    »Verrückte Geschichte«, fasste er zusammen. Von drüben donnerten wieder Lachsalven. Behütuns hörte sie nicht. Er dachte nach.
    »Immerhin. Da haben Sie mehr gehabt als ich«, sagte er. »Mehr Anhaltspunkte. Auch mehr, was zusammen passt.«
    Dr. Hartung sah ihn fragend an.
    Behütuns dachte nach.
    »Wissen Sie«, sagte er dann, »ich kann zwar recht klar denken – aber zum Problemelösen hilft mir das nicht. Oder nur selten, und ich weiß dann nicht, wie. Ich brauche immer Fakten, Fakten, Fakten, ganz klar. Aber Sinn erschließt sich mir dadurch nicht. Ich kann mich nur mit den Fakten umgeben.«
    Wieder dachte er nach.
    »Oft, und auch dieses Mal war es wieder so, fügt sich der Sinn von ganz allein. Ohne die Logik der Fakten. Er drängt sich mir einfach auf.
    Oder entsteht. Kommt von selbst. Keine Ahnung, wie ich das sagen soll.«
    Jetzt war es Hartung, der fragend schaute.
    »Ja, das klingt verrückt. Aber ich versuch es Ihnen zu beschreiben. Der Reihe nach. Letztes Jahr stand in der Zeitung ein Leserbrief.
    Ich hab ihn mir aufgehoben. Er wetterte gegen das Engagement dieser Atomfirma beim Club. Führte viele Argumente an, die ich teilte. Er argumentierte gut. Und er bemängelte, dass darum keine öffentliche Diskussion ausbrach, es der Presse und den Fans scheinbar egal war, woher das Geld kam und wie es verdient wurde. Hauptsache der Club kriegt Kohle, um wieder in die erste Liga zu kommen. Kurz, der Leserbrief sprach mir aus der Seele. Ich wollte der Schreiberin antworten, einer Ärztin aus Lauf.
    Doktorin besser. Ich nahm an, dass es eine Ärztin war. Die Adresse der Schreiberin stand, wie üblich, unter dem Leserbrief, also Name und Stadt. Also recherchierte ich – und siehe da: Es gab weder die angegebene Adresse noch eine Ärztin – oder Doktorin – dieses Namens. Dr. Torga Legenz, die Verfasserin, war einfach nicht existent.«
    Wieder machte er eine Pause.
    »Dann stand in dem Tagebuch des einen Ermordeten, dem von der Hütte im Tessin, eine sehr eigenartige Bemerkung:« Die sich mit ›Doktor‹ vorstellen, sind immer irgendwie komisch »oder« haben es nötig »oder so. Damit war wohl sein letzter Besucher gemeint, dort oben auf dem Berg. Das ließ sich zumindest aus der Reihenfolge der Aufzeichnungen erschließen.«
    Hartung schaute etwas irritiert. Er dachte jetzt wohl an sich und sein penetrant wiederholtes »Dr. Hartung nimmt noch ein Bier«. Behütuns kümmerte sich nicht darum, aber vielleicht, dachte er, bewirkt es ja was.
    »Da war also jemand, der hatte sich mit seinem Titel vorgestellt, konnte nicht darauf verzichten. Und dann kamen die Geschichten von der Alten aus dem Wirtshaus bei Erlangen, der Name Georg Natzel, der Sohn, der in Neuendettelsau war und in Massachusetts gearbeitet hatte – genauso wie Ihr standesbewusster« Dr. »Grongel. Und dann saß ich da und saß da und saß da, und am Nebentisch wurde gekartelt und einer sagte« Jetzt misch doch einmal »…, und ich hatte immer das Gefühl, ich sei schon nah dran …, aber der Knoten platzte nicht …, es fügte sich kein Bild …, irgendwo hakte es, und ich sah nicht wo …, und rational war nirgendwo ein echter Zusammenhang – und plötzlich fügten sich die Buchstaben und Namen. Legten sich wie ein Spatzenschwarm ins Gebüsch. Und überall war der« Dr. »davor. Dr. Torga Legenz, die Unbekannte, Dr. Atze Grongel, Dr. Hans Natzel beziehungsweise der Name des Vaters, Georg Natzel – bei klarem Kopf macht das keinen Sinn. Und trotzdem war ich mir sicher. Ich musste nur noch eine Verletzung sehen an der rechten Hand … Nur deshalb war ich am Flughafen.«
    »Wissenschaft ist das nicht. Oder Nachvollziehbares, Erklärbares«, sagte Hartung. »Also Ratio. Logik. Kriminalistik.«
    »Nö. Doch.«
    »Prost!«
    »Prost!«
    Die ganze Geschichte war verquast. Behütuns erzählte Hartung Bier auf Bier, was die Vernehmungen des Hans Natzel ergeben hatten. Demnach stimmten ihre Annahmen weitgehend, die Realität des Dr. N. war sehr verquer. Er sah seinen Vater als Opfer der Kartelrunde an, sie, diese vier, hätten ihn ins Grab gebracht. Schon immer habe ihn das beschäftigt, es hatte ja sein Leben verändert. Das war seine Realität. Als er aus den Staaten zurückkam, referierte Behütuns, hatte er sich auf die Suche gemacht. Recherchiert. Die Personen gefunden und ihre Nachkommen. Denn er habe »ein
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