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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf
Autoren: Tommie Goerz
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mitbringen lassen. Unter der Hand.«
    Das Telefon klingelte. Mälzer nahm ab, lauschte, bedankte sich und ging zu seinem Rechner. »Die Daten sind da.«
    »Um 19.10 Uhr kommt er an. Aus München.«
    Jetzt war es kurz nach fünf.
    »Wird voraussichtlich pünktlich landen. Die haben eine Stunde Zeitverschiebung, die Maschine ist schon los und in Madrid gab es keine Verspätungen.«
    »Dann werd ich mir hier so lange die Zeit vertreiben«, sagte Behütuns. »Gehe ein bisschen was essen.«
    Mälzer sah noch immer auf seinen Bildschirm.
    »Scheint ja ein richtiger Vielflieger zu sein, dein Dr. Grongel.«
    Behütuns schaute fragend.
    »Hier: Ende Mai Nürnberg, München, München, Barcelona. Ein paar Tage später, erste Juniwoche, Mittwoch zurück via Madrid, München, Nürnberg, gleiche Maschine wie heute. An diesem Montag: Die Frühmaschine halb sieben über Frankfurt nach Madrid und heute wieder zurück. Das sind die letzten Daten, die zeigt der Suchlauf so an. Ich druck's dir aus.«
    »Ja, danke. War in Barcelona auf einem Kongress und jetzt in Madrid auf einem. Das ist meine Info.«
    Dazwischen hatte er Urlaub gemacht, so hatte Behütuns es verstanden. Bei Hartung hatte es zwar so geklungen, als wollte er dazwischen in Spanien bleiben, aber das hatte der nicht gesagt. Davon war keine Rede, das hab ich nur so verstanden. Wie schnell Informationen falsch werden können, dachte sich Behütuns. Wie schnell man etwas versteht, was gar nicht gesagt worden ist.
    Mälzer gab ihm das Blatt aus dem Drucker.
    »Wenn noch was ist, ruf mich an.«
    »Ja, danke für deine Hilfe.«
    Behütuns verließ den Verwaltungsbau, musste noch durch zwei Schleusen, dann stand er im Freien. Unschlüssig. Sollte er wirklich ins Restaurant? Gab es nichts Schöneres in der Umgebung? Zwei Stunden, das war doch eine Menge Zeit. Das Donnern einer startenden Maschine erfüllte die Luft. Ließ sie zittern, hier passt dieses Wort. Hatte er sich nie drüber Gedanken gemacht. Dann wehte der ölige Geruch von Kerosin herüber. Das ist kein wirtlicher Platz, dachte er. Wirtlich ist etwas ganz anderes. Und er setzte sich ins Auto, fuhr hinüber zum Schlössla. Vielleicht sitzen die Alten ja wieder da, dann ist es gut. 15 Minuten später saß er im Garten vom Schlössla. Die Alten waren da. Saßen und sagten nichts. Behütuns setzte sich abseits. Saß auch und sagte nichts.
    Was dann geschah, lässt sich nicht beschreiben, und auch Behütuns wusste nicht, was los war. Er saß nur, tat sonst nichts. Hatte seinen Geldbeutel auf den Biertisch gelegt und den Ausdruck von Berto Mälzer damit beschwert, damit er nicht fortflog. Ab und zu wedelte er eine Fliege fort, sonst nichts.
    Auf dem Papier stand die Ankunftszeit.
    In seinem Kopf hingen die Gedanken. Senkrecht von oben herab. Wie Schweine in einem Schlachthaus. Oder Würste in einer Räucherkammer. Sie zogen an ihm vorbei, immer und immer wieder. Und immer in einer anderen Reihenfolge. Und gleichzeitig umkreiste er sie, sah sie immer aus einer neuen Perspektive. Du musst dich drauf einlassen, dachte er nur. Lass es zu. Das hatte noch nie jemand verstanden, er hatte es aber auch noch niemandem so gesagt. Es war seine Art zu denken, wenn die Dinge sich zu sehr versteckten. Wenn er ihnen etwas entlocken wollte. Wenn etwas entstehen sollte oder musste, manchmal wie aus dem Nichts. Hingabe war das, Maler malten so. Du verlässt Raum und Zeit, bist nur noch Gedanke, aber denkst eigentlich nichts. Namen waberten durch seinen Kopf, Daten, Ereignisse. »Hmmbff«, machte einer der Alten drüben am Tisch. Ja, genau! Mehr kannst du dann nicht sagen! Das ist es, das ist die Wahrheit! Es ist das Alles und Nichts.
    Endlos waberten die Dinge vorbei, in immer neuen Schleifen. Alberto Lugio, der Schweizer Kommissar. Der Name Georg Natzel. Der Hass auf die Atomwirtschaft. Die Liebe oder der Hass zum Club. Ein kleines Waisenkind. Die Aufzeichnungen des Schraders. Ein Mann, der kotzt und kotzt. Und immer wieder dieser Leserbrief.
    Was hatte der hier zu suchen? Ein Mann, der vom Nebel verschluckt wird, ein seltsamer Mann. Ein Junge, der etwas sein will. Ein Stock mit Blut daran. Der Hass auf die Atomwirtschaft. Eine Kiste mit Minen. Vier Männer, die Karten spielen. Vier Gräber. Und wieder dieser Leserbrief.
    Diese Frau hatte es doch gar nicht gegeben. Torga Legenz war nicht existent. Ein Mann verschwindet im Nebel. Frau Dr. Torga Legenz. Die Abflugzeiten des Dr. Grongel. Des standesbewussten Dr. Atze Grongel. Der Name Georg
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