Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci
Autoren: Andreas Maier
Vom Netzwerk:
gehabt. Er war nur so vorbeigegangen am Kräuterheinrich, nach der Demo. Daß es um etwas Politisches gehe, begreife die Ziege doch gar nicht.
    Ich finde es schon politisch, sich mit der Staatsgewalt zu beschäftigen, sagte Maja. Wer macht das denn? An der Schule interessiert es keinen, da sind die meisten sowieso konservativ. Ich glaube, die problematisieren das garnicht mit dem Garnisonkirchenwiederaufbau. Es ist ihnen egal. Pöhland meckerte herüber: Na, Mädels, was ist egal? Alles ist egal (er kicherte). Hauptsache, Bier ist da. Pöhland, halt dein Maul, rief Aische. Typen wie du sind der Untergang, echt. Pöhland: Aische, ich bin ein Fan von dir. Deine Bilder sind der Hammer. Sie: Ich denke, alles ist egal? Pöhland: Ja, aber die Bilder … eine Wucht. Hast du auch welche in Naziklamotten? Sie: Wie meinst du das? Er: Na, so als Nazimutter. Du mit so einer Nazifrisur und so einem Rock, weißt du! Sie: Du Idiot, ich bin eine Türkin. Er: Grad deshalb. Das wäre eine Sache. Das hat noch keiner gesehen. Oder bringen dich dann deine Brüder um? Familienblutrache? (Meckerndes Lachen.) Sie: Arschloch, echt, halt das Maul, du Schwachkopf. Ich habe überhaupt keine Brüder. Maja lächelte, und Aische zeigte Pöhland einen Vogel.
    Jetzt betraten drei junge Frauen das Kotz. Sie trugen Leinengewänder, hatten Blumenkränze im Haar und waren in einer Mischung aus alternativ und Landhausstil gekleidet. Zwei von den Frauen trugen ihr jeweiliges Kind in einem Tragetuch, die dritte hielt einen Korb in der Hand, aus dem sie orange- und rotfarbene Blüten auf ihre Freundinnen streute. Die drei Frauen lachten und strahlten sich mit lächelnden Augen an, hatten sich an den Händen gefaßt und inszenierten offenbar einen Reigentanz. Eine von ihnen war Maike aus dem Gemeindezentrum, die anderen kannte Maja nur vom Sehen. Maja betrachtete fasziniert die Muttergruppe und war von dem Bild entzückt. Kurz darauf kamen Nils und Arnold. Beide waren in ein Gespräch vertieft und betratengestikulierend die Wirtschaft. Sie blieben zunächst in der Nähe des Eingangs stehen und musterten, während sie weiterdiskutierten, die Gruppe der Frauen mit den Kindern.
    Heute war großes Treffen im Kotz, man sah die verschiedensten Leute. Mit der Zeit füllte sich das Café. Auch Merle Johansson erschien, nur Anastasia tauchte nicht auf. Das Blütenstreuen ging bei den Reigenmüttern noch eine Weile weiter, sie machten ständig irgendwelche anmutigen Bewegungen, schienen sich prächtig zu amüsieren und hatten sich natürlich vorgenommen, heute genau das Bild abzugeben, das sie gerade abgaben. Bei der Demonstration würde sich das besonders gut machen: hier die blütenreine Unschuld, dort die Waffen des Staates. Eine der jungen Mütter mit den Tragetüchern hielt gerade den Kopf ihres Säuglings und blickte mit Augen in die Welt, als sei sie eine Madonna von Botticelli. Überhaupt sah die ganze Gruppe verdächtig danach aus, als stellten sie gerade den Frühling von Botticelli nach.
    Nils und Arnold standen jetzt bei Maja. Der Kleine ist so süß, sagte sie. Die beiden Freunde hörten aber nicht zu, sondern waren immer noch in ihr Gespräch vertieft. Was hast du Alexej eigentlich erzählt, fragte Nils. Ich habe ihm alles erzählt, sagte Arnold, alles, was er wissen wollte. Hofmann hat die ganze Weile da unten in den Gängen herumgestöbert, das war mir nicht klar. Besser geht es nicht. Nils: Wußte Alexej, daß sie da unten verkehrt? (Er wies auf Merle Johansson.) Arnold lächelte. Nein, das wußte er nicht. Jetzt ist er gerade dabei, eins und eins zusammenzuzählen … schau, wie sie Blüten werfen!
    Wovon redet ihr eigentlich, fragte Maja, die demGespräch bislang nur mit halbem Ohr zugehört und eine Bionade am Tresen getrunken hatte (sie wollte noch keinen Alkohol trinken, damit sie das Polizeispiel nüchtern, konzentriert und aufmerksam beginnen konnte, es machte nämlich am meisten Spaß, wenn man seine ganze Schlagfertigkeit zur Verfügung hatte). Arnold: Wir reden von einem Mord. Sie: Wer soll denn ermordet werden? Arnold: Die da. Maja: Wer? Arnold: Sie! Maja: Merle Johansson? Wer will sie denn ermorden? Arnold: Natürlich ich und Heike. Maja: Echt, ihr beiden? Aha. Und Nils will auch? Arnold: Nein. Nils will sie nicht ermorden. Oder, Nils, möchtest du sie ermorden? Nils lachte. Ich halte mich aus solchen Dingen grundsätzlich heraus. Ich stehe nicht im Drehbuch. Arnold: Nils liefert nur die Ideen. Nils: Auf die Idee seid ihr ganz allein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher