Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci
Autoren: Andreas Maier
Vom Netzwerk:
Einzelne trugen Tafeln, auf denen »Nie wieder«-Formulierungen geschrieben standen. Zwischen ihnen tummelten sich einige Kotzleute.
    Direkt hinter dem bürgerlichen Teil folgten Demonstranten, die dem Zug etwas Volksfesthaftes gaben. Das war Majas Zugteil. Einer schlug alle paar Meter ein Rad, andere jonglierten, einer spielte Geige und sang und hüpfte dazu. Diese Demonstranten (allesamt männlich) waren ihrerseits von einem Zug Frauen und junger Leute umgeben, die glücklich wirkten, so als würde die Welt wirklich in diesem Augenblick definitiv eine bessere, eben infolge des Auftritts des Radschlagenden, der Jongleure und des singenden und hüpfenden Geigers. Merle Johansson befand sich ebenfalls in diesem Teil des Zuges, verließ ihn aber gerade, Maja sah, wie sie Richtung Sanssouci davonging. Wahrscheinlich hatte sie dort etwas zu tun. Sonst demonstrierte sie nämlich immer bis zum Ende mit. Sie hatte ihr Handy am Ohr.
    Maja sah die drei Frauen mit den Tragetüchern, den Kindern und dem Blütenkorb, die Frauen streichelten die Köpfe der Kinder und unterhielten sich dabei mit leuchtenden Augen. Währenddessen betrachteten sie die Jongleure und musterten die Passanten, die vom Gehsteig aus ihrerseits den Demonstrationszug in Augenschein nahmen … Hinter dem Frauenreigen kamen noch ein paar biertrinkende Kotzler und dahinter der Musikwagen, umringt von den Organisatoren der antifaschistischen Kundgebung. Es handelte sich um einen Kastenwagen mit zwei trichterförmigen Lautsprechern, die Musikwar kaum zu erkennen, die Qualität der Lautsprecher war miserabel. Die um den Wagen herumschlurfenden Demonstranten lauschten dennoch aufmerksam und wiegten nachdenklich ihre Körper zu der krächzenden Musik. Manchmal hörte man unverständliche Durchsagen. Hinter dem Musikwagen schließlich fanden sich noch einige verstreute Demonstranten, und dann folgten wieder Polizisten, ganz hinten noch einige Reiter. An den Rändern waren die Demonstranten nicht deutlich von den Passanten zu unterscheiden, da immer einige aus dem Zug heraus- und andere in ihn hineinliefen. Malkowski war mit einem Team da und drehte. Es war sein letzter Arbeitstag, am Abend würde er mit seiner Familie in die Ferien fliegen.
    Maja unterhielt sich begeistert mit einigen anderen Mädchen. Alle waren strikt gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche, es schien für sie geradezu dringlich zu sein, diesen Wiederaufbau zu verhindern. Aische redete immer von Kriegskirche statt von Garnisonkirche . Sie: Es steckt ja schon im Namen Garnison , es war eine Kriegskirche, nichts sonst, sie war ein Symbol für Hitler. Der Name allein ist schon Militarismus. Es ist komisch, was aus dieser Stadt wird, sagte sie. Aische schaute mit kajalstiftgefärbten Augenlidern düster vor sich hin und sagte leise, sie habe Angst vor dieser Stadt. Warum habe sie denn Angst, fragte jemand. Sie habe Angst, sagte Aische, daß sie ihr wieder etwas antun. Der Fragende: Was denn antun? Was hat man dir denn angetan? Aische antwortete nichts, sondern sah den Fragenden an, als habe er gerade etwas ausgesprochen Blödes gesagt …
    Insgesamt war die Stimmung sehr ausgelassen. Am Nauener Tor waren Stände aufgebaut, teilweise alternativ bzw. ökologisch. Es gab einen Felafelstand, einen Rüblipufferstand, es gab einen Biohaferbällchenstand, dann konnte man biologischen Saft kaufen, aber es gab auch einen Bratwurststand und eine ganz normale Weintheke. Ökologische Seifen wurden angeboten, Öle und andere Naturprodukte. Am Tor zeigte, vermutlich infolge des Marktes, der Demonstrationszug gewisse Auflösungserscheinungen. Maja holte sich einen Rüblipuffer. Auch der Musikwagen kam zum Stehen. Nur vorn setzten sich einige Demonstranten Richtung Platz der Einheit ab, wo die Abschlußkundgebung stattfinden sollte. Maja lief mit ihren Freundinnen über den Markt. Hinter ihnen das Tor, rechts das Café Heider, vor ihnen die Ebertstraße. Maja und die anderen fanden diesen Markt wunderschön. Sie freuten sich, daß es Menschen gab, die etwas anderes machten als das, was all die anderen machten. Und daß man sich hier zu einer so guten Sache versammelte. Der Rüblipuffer kostete vier Euro, Lee wollte auch einen, hatte aber nicht genug Geld dabei, so daß Loredana ihr etwas lieh. Es war ein munteres Treiben, wie die Demonstranten von Stand zu Stand liefen, aßen und tranken, sich bei bester Laune unterhielten und dem bunten Tun, zu dem sie selbst dazugehörten, zuschauten.
    Dann setzte sich der Zug
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher