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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci
Autoren: Andreas Maier
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besten so, alsmerke sie gar nicht, daß er sie immerfort anglotzte. Es hätte sie genausogut ein Nashorn anglotzen können.
    Maja verfolgte staunend den Auflauf in Hornungs Garten. Wenk, Overbeck, Schwarz, Kupski, alle kamen sie. Später, nachdem sich die anderen Mädchen eingefunden hatten (sie hatten das Haus in der Gregoriusstraße als Vorabtreffpunkt für die Demonstration ausgemacht), gingen sie an den Heiligen See.
    Der Vormittag am See war ein Rausch aus Luft, Farben, Blüten, Düften, Frische und Hitze. Einmal kam Jauch an ihnen vorbei, wie sie am See (an einer illegalen Stelle, auf einem Privatgrundstück) herumlagen. Jauch reagierte nicht auf sie, Lee und Loredana waren ein wenig enttäuscht. Es war ganz in der Nähe von Jauchs Grundstück, er mußte wissen, daß sie da, wo sie lagen, gar nicht liegen durften. Damit hätten sie gern angeeckt. Natürlich besonders bei Günther Jauch. Ihm überhaupt irgendwie aufzufallen war eine Art Sport in Potsdam. Schließlich handelte es sich bei Günther Jauch um den berühmtesten Menschen in Potsdam, etwa hundertmal berühmter als Hornung oder der Oberbürgermeister. Die andere bekannte Person in Potsdam hieß Joop. Joop und Jauch waren die berühmtesten Potsdamer. Joop sah man nie, Jauch manchmal. Viele Gespräche in Potsdam waren »Heute habe ich Jauch gesehen«-Gespräche. Da Joop als homosexuell und manchen auch als drogenabhängig galt, war Jauch ohnehin beliebter.
    Später trafen sich Maja und die anderen im Kotz. Nils wollte in einer halben Stunde nachkommen. Alle waren aufgeregt und in gespannter Erwartung. Sie freuten sichauf das, was heute bevorstand. Man konnte allerlei Schabernack mit den Polizisten treiben, man konnte sie reizen, ihnen herrlich auf der Nase herumtanzen, und den Polizisten, die die Staatsmacht waren, waren die Hände gebunden … sie taten nichts. Freilich mußte man beim Polizistenspiel ein paar Regeln einhalten. Man konnte sie zwar in Rage bringen, aber man durfte sie nicht beleidigen. Man sagte nicht Dinge wie: Du Schwachkopf, sondern man sagte zum Beispiel: Sie haben aber eine schöne Uniform, oder: Sind Ihre Socken auch grün? oder: Ich würde zu gern einmal Ihre Waffe in die Hand nehmen, darf ich? Der letzte Satz eignete sich besonders, wenn man ein Mädchen war. Anschließend durfte man soviel losprusten, wie man wollte, direkt vor dem Polizisten. Da standen dann die Mädchen gruppenweise vor den Beamten, machten ihre Bemerkungen, amüsierten sich köstlich, und der Polizist mußte alles über sich ergehen lassen. Argumentieren ging mit den meisten sowieso nicht (wahrscheinlich hatten sie Anweisung, das zu meiden). Es war ein herrliches Spiel und machte an heißen Sommertagen besonders Spaß, denn dann hatte man ein kühles Bier in der Hand (der Polizist nicht), und wenn man ein Mädchen war und das Spiel spielen wollte, hatte man in der Regel auch ziemlich wenig an. Nur mit weiblichen Polizisten konnte man das Spiel nicht spielen.
    Auch Pöhland, der mit einigen anderen am Tresen saß, war voller Vorfreude, sein Gackern lag wie immer über dem restlichen Lärm. Er gab Anekdoten von früheren Polizeibegegnungen zum besten. Für ihn waren sie klein wie Ameisen, die Polizisten. Ja, Polizisten eigneten sichbestens zum Spielen. Es war das schönste Spiel, denn es war das Spiel mit dem Staat, und der war absolut wehrlos dagegen. Keiner der Anwesenden im Kotz hatte je eine Begegnung mit einem Polizisten gehabt, bei dem der Polizist die Oberhand behalten hätte. Die Polizisten hatten immer verloren. Die Kotzleute immer gewonnen. Auch Maja hatte nie Gewalt vom Staat erlebt und konnte sich das auch nicht vorstellen. Diese Polizeimonturen waren nur lächerliches Popanzgehabe. Sie reizten nur zum Widerspruch. Überhaupt sahen sie völlig blödsinnig aus, diese Polizisten. Und immer waren sie so nervös!
    Maja saß bei Aische und Loredana. Aische tat heute sehr erwachsen und behauptete, sie finde das Polizistenspiel blödsinnig, es mache ihr keinen Spaß, sie sehe keinen Sinn darin, das sei bloß eitel. Man solle sich doch den Pöhland anschauen mit seinem Meckern. Wo der auftrete, mache man sich sowieso lächerlich. Jedesmal schmeiße er eine Fensterscheibe ein. Anschließend meckere er sofort wieder wie eine Ziege. Das letzte Mal habe er eine Scheibe beim Kräuterheinrich in der Gutenbergstraße eingeworfen. Es sei immer dasselbe. Erstens habe der Kräuterheinrich nichts mit so einer Demo zu tun, und zweitens habe Pöhland nicht mal Publikum
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