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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci
Autoren: Andreas Maier
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Hosentasche, bis er die Nummer des Russen gefunden hatte. Am Telefon meldete sich der Anrufbeantworter. Arnold hinterließ keine Nachricht. Dann kam ein Polizist zu der Szene hinzu.
    Da die Schwarzfahrer weder Geld hatten noch sich ausweisen konnten, ihren eigenen Angaben nach minderjährig waren und zudem die Nennung ihrer Adresse verweigerten, hatte man die Polizei verständigt. Es kam ein eigens für solche Fälle psychologisch geschulter Beamter, ein Nordhesse. Das sind also die beiden Schwarzfahrer, sagte er. Und ihr habt also keine Ausweise? Nein, haben wir nicht, sagte Arnold. Ich laufe nicht ständig mit einem Ausweis herum, und meine Schwester bräuchte schon eine Handtasche, um einen Ausweis zu transportieren. Sehen Sie, wie sie angezogen ist! Sie hat ja fast nichts an. Der Beamte sagte, seine Schwester könne vielleicht auchfür sich selbst reden. Tatsächlich streckte Heike ihrem Bruder nun die Zunge heraus, und der Beamte war damit recht zufrieden, aber nur so lange, bis sie auch ihm die Zunge herausstreckte. Dem Polizisten fiel auf, daß das junge Mädchen ausnehmend hübsch war. Er sagte, es interessiere ihn nicht, wie seine Schwester angezogen sei, es interessiere ihn mehr, wie sie heiße. Heike, sagte Arnold, und sie bestätigte: Heike. Der Beamte: Und gibt es auch einen Nachnamen? Heike: Natürlich gibt es einen Nachnamen. Der Beamte: Und wie lautet der? Sie: Warum wollen Sie das denn wissen? Der Beamte erläuterte nun ganz sachlich, was auch die Bahnbediensteten vorhin mehrfach erklärt hatten: daß sie schwarzgefahren seien, daß sie das erhöhte Beförderungsentgelt nicht gezahlt hätten und man deshalb jetzt ihre Personalien feststellen müsse. Andernfalls würde er sie mitnehmen, und dann kämen sie so lange unter Aufsicht, bis ihre Vormünder festgestellt seien. Sie: Wir sind Waisenkinder. Der Beamte schaute teilnahmsvoll. Arnold sagte, sie solle nicht so einen Scheiß reden. Heike prustete los, machte unter ihrem kurzen Rock ein bißchen Beingymnastik und sah den Polizisten aufmunternd an. Dieser kaute in seinen Mundwinkeln und versuchte, nicht auf Heikes Beine zu achten. Also gut, sagte Arnold nach einer Weile. Sie hießen Heike und Arnold Müller und kämen aus der Schmidtstraße zehn in Hamburg. Hamburg, wiederholte der Polizist tonlos, sprach die Adresse in sein Funkgerät hinein und bat um Überprüfung. Das ist doch Quatsch, sagte Heike. Wir müssen die Wahrheit sagen. Das finde er auch, sagte der psychologisch geschulte Beamte. Es bringe dochsowieso nichts. Sie: Sie hießen Hornung und wohnten in der Gregoriusstraße in soundsoviel soundsoviel Potsdam. Genauer gesagt Potsdam West. Na bitte, sagte der Polizist und gab auch diese Adresse durch. Wie denn ihre Eltern hießen? Max, sagte Arnold. Es gebe nur den Vater, er heiße Max, die Mutter … die Mutter kennten sie gar nicht. Der Polizist schaute auf. Das tue ihm leid, sagte er. Heike: Na aber uns erst! Diese Floskeln können Sie sich sparen, Herr Wachtmeister. Er: Ich bin kein Wachtmeister. Ich bin Polizist. Über Funkgerät kam nun die Nachricht, daß die erste Adresse inexistent sei, die zweite aber existiere. Seht ihr, meine Engel, sagte der jetzt freundlich und jovial blickende Nordhesse, jetzt können wir euch wenigstens nach Hause schicken, das ist doch für alle besser. Über Funkgerät bat er um die Überprüfung der Angaben zum Vater. Gibt es hier irgendwo eine Toilette, fragte Arnold. Er habe zuviel Sekt getrunken. Der Polizist fragte, ob er denn nicht zu jung sei, um Sekt zu trinken. Arnold runzelte kurz die Stirn und wiederholte seine Frage. Ein Bahnbediensteter sagte, die Toilette sei draußen auf dem Gang links, die dritte Tür. Nun stand aber nicht Arnold, sondern Heike auf, um den Raum zu verlassen und die Toilette aufzusuchen. Was soll denn das jetzt, fragte der Polizist. Arnold legte den Kopf schief, zuerst nach rechts, dann nach links, verzog das Gesicht und wiederholte wie ein Papagei, was soll denn das jetzt, was soll denn das jetzt … Sie hat auch Sekt getrunken. Er musterte den Polizisten. Dieser wirkte plötzlich sehr müde.
    Nach einer Weile stand auch Arnold auf und ging hinaus. He, Moment, rief der Polizist und lief ihm nach. Wasist denn, fragte Arnold, ich möchte doch nur nach meiner Schwester schauen. Sie ist schon seit zehn Minuten weg, da sollte man sich Gedanken machen. So lang kann kein Mensch pinkeln. Der Polizist reagierte nicht. Sie pinkelt oft, sagte Arnold. Er sah den Polizisten aufmunternd an.
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