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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci
Autoren: Andreas Maier
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Augenbrauen, schlug immer wieder die Beine übereinander oder spreizte sie unter ihrem kurzen Rock wie bei einer Lockerungsübung, der Mann wußte nicht, wo er noch hinschauen sollte. Arnold setzte sich zu den beiden, ließ sich und Heike einen Becherovka bringen, hörte aber nicht zu, sondern versank in Gedanken und betrachtete den Mann, mit dem Heike sprach. Er trug längere Koteletten und eine Brille mit schwarzem Rand. Bestimmt ein Student. Oder eben mit seinem Studium fertig. Er sahnicht unangenehm aus. Was er wohl für Vorlieben hatte? Nach einer Weile begann Arnold dem Gespräch zuzuhören und stellte fest, daß es nichtssagend war. Der Mann redete völlig normal, wie alle, über ganz beliebige Dinge. Arnold spürte Widerwillen und eine grenzenlose Überlegenheit in sich aufsteigen, aber er biß sich auf die Lippen und sagte sich: Wenn er wüßte, daß sie unter ihrem Rock gar nichts trägt, würde er vermutlich auf der Stelle durchdrehen.
    Irgendwann entschuldigte sich der Mann für einen Moment, ging in die Wirtschaft hinein, und Heike und Arnold standen auf und verließen den Gastgarten, ohne zu bezahlen. Arnold machte seiner Schwester Vorwürfe, daß sie solchen Leuten immer erlaube, sich an ihren Tisch zu setzen. Heike entgegnete trotzig, nicht er habe sich zu ihr an den Tisch gesetzt, sondern sie sich zu ihm.
    Später liefen sie die Friedberger Landstraße hinunter, kamen am Friedberger Platz vorbei, die Straße war jetzt sehr breit und das Trottoir eng, aber das bemerkten sie nicht, beide waren in Gedanken versunken und hielten sich an der Hand. Weiter unten betraten sie den chinesischen Garten, liefen immer noch wortlos über die Wege, den kleinen Bach entlang, einmal um die Pagode herum, dann nahmen sie von ihrem letzten Geld ein Taxi und fuhren zum Hauptbahnhof. In der Bahnhofshalle klauten sie zwei kleine Fläschchen Sekt und stiegen in den nächsten ICE Richtung Berlin. Im Zug setzten sich die beiden Geschwister in den Gang, obgleich der Zug nur halb voll war. Heike rauchte. Sie wurde darauf hingewiesen, daß Rauchen hier verboten sei, also machte sie ihre Zigarettevorsichtig aus und zündete sie sofort wieder an, als sie allein waren. Als sie die Sektfläschchen ausgetrunken hatten, beschlossen sie, ins Bordbistro zu gehen und weiterzutrinken. Im Bordbistro fiel ihnen allerdings ein, daß man bei Bestellung gleich zahlen mußte. Also gingen sie lieber ins Restaurant und bestellten dort zwei Portionsflaschen Weißwein. Der Kellner wollte die Annahme der Bestellung zunächst verweigern, weil die beiden ihm zu jung erschienen, aber Heike lächelte ihn an und beugte sich ein wenig vor, in den Blickwinkel des Kellners, was diesen augenscheinlich überzeugte, so daß er den Wein brachte.
    Die Fahrkartenkontrolle kam erst nach einer Weile, da waren sie schon kurz vor Kassel. Arnold verwies den Schaffner darauf, daß seine Schwester die Fahrkarten eingesteckt habe. Heike lächelte, machte Sportübungen mit ihren Beinen und griff nach ihrer Handtasche, um verwundert festzustellen, daß ihre Handtasche gar nicht da war. Wo war denn ihre Handtasche? Darin befanden sich doch die Tickets! Und nun war sie weg … Vielleicht agierte Heike dem Schaffner gegenüber ein wenig zu kokett, auf jeden Fall glaubte er den beiden kein Wort und benachrichtigte die Beamten in Kassel, daß sie die beiden Schwarzfahrer in Empfang nehmen sollten. Er ließ sich auch nicht wirklich davon beeindrucken, daß sich Heike ihm gegenüber in den richtigen Blickwinkel brachte. Die Rechnung im Bordrestaurant zahlte niemand, in Kassel wurden die Zwillinge anderen Bahnbeamten ausgehändigt, Heike bekam daraufhin einen vorbildlich geschauspielerten Verzweiflungsanfall, hatte aber keinen Erfolg.Dennoch war Heike für die Beamten im Kasseler Bahnhof atemberaubend. Jeder wollte irgend etwas für sie tun, fragte, ob sie eine Cola wolle, ob sie etwas essen wolle, ob sie jemanden anrufen wolle … Heike sagte, sie wolle eine Zigarette und einen Jägermeister. Beides wurde ihr sehr schnell gebracht. Arnold saß daneben und ließ seine Schwester gewähren, wie immer in solchen Situationen. Er kannte ihre Fähigkeiten. Heike brauchte einfach nur dazusein, und schon lagen ihr die Männer ausnahmslos zu Füßen. Einigen konnte man den Widerstand noch ansehen, aber nur eine Weile, und dann wurden auch sie schwach. Heike war das Schlimmste, was es für Männer geben konnte.
    Später kam er auf den Gedanken, den Mönch anzurufen, und kramte in seiner
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