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TS 62: Das Rätsel der Venus

TS 62: Das Rätsel der Venus

Titel: TS 62: Das Rätsel der Venus
Autoren: Donald A. (Hrsg.) Wollheim
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Projekt Venus
    (FIELD EXPEDIENT)
von Chad Oliver
     
1.
     
    Die kalte Brise strich vom grauen Pazifik herein und hüllte Los Angeles in dichte Regenwolken. Keith Ortega bahnte sich weit vorgebeugt seinen Weg durch die Pfützen des Wilshire Walk und bedauerte, seinen Kopter im Center gelassen zu haben. Sein Schwerkraft-Deflektor ließ zwar keinen Regen durch, aber die Luft unter den Kraftlinien schmeckte entschieden schal und abgestanden.
    Der breite Gehweg war ziemlich leer, wenn er auch hie und da bunte Lichter von Schaufenstern im Regen glitzern sah. Ein Leuchttransparent der Regierung hing über ihm in der Luft: DONT ROCK THE BOAT.
    Er bog an der Santa Monica-Kreuzung nach rechts ab und erreichte zwei Häuserblocks weiter den Vandervort-Turm. Er schaltete unter der Tür mit dem riesigen Transparent ,WIR WOLLEN IHR BABY’ hastig den Schwerkraft-Deflektor ab, atmete zwei-, dreimal tief ein und fühlte sich sofort wieder wohler. In der Lobby war niemand, aber er hatte schon damit gerechnet, daß nicht viel los sein würde. Er trat in die Liftkabine und glitt ins zehnte Stockwerk. Zu seiner Überraschung war das Sprechzimmer dort besetzt.
    Ellen Linford, die wie das fleischgewordene Sinnbild der amerikanischen Mutter schlechthin aussah, hatte ein junges Ehepaar am Haken. Sie hielt ein Baby auf den Knien und schaukelte es, und selbst Keiths Wissen, daß Ellen Kinder einfach nicht ausstehen konnte, tat der Atmosphäre dieser Szene keinen Abbruch. Ellen war eine gute Schauspielerin – mußte es sein.
    Keith setze eine – wie er hoffte – väterliche Miene auf und setzte sich neben Ellen. Er lächelte dem Baby zu und kitzelte es unter dem Kinn. „Wen haben wir denn da? Und wie geht’s denn dem Kleinen?“
    „Ein Mädchen“, verbesserte ihn Ellen. Dann wandte sie sich wieder dem nervösen jungen Paar zu. „Das ist aber ein Glück. Das ist Mr. Ortega persönlich.“
    Heiliger Strohsack, dachte Keith.
    „Ich möchte Ihnen Mr. und Mrs. Sturtevant vorstellen“, sagte Ellen. „Sie haben beschlossen, ihre kleine Hazel der Stiftung zu überlassen. Ist das nicht schön?“
    „Wunderbar“, pflichtete Keith Ortega ihr bei und schüttelte den jungen Eltern die Hand. „Sie haben eine sehr kluge Entscheidung getroffen.“
    Sie zögerten. Und dann platzte die junge Frau mit der unvermeidlichen Frage heraus. „Ich verstehe diese Bedingungen noch nicht alle, Sir“, sagte sie mit einer Stimme, die zu hoch klang. „Warum dürfen wir denn Hazel nicht wenigstens manchmal besuchen? Ich meine … das ist doch nichts Schlimmes, oder? Nur um zu sehen, daß es ihr gutgeht …“
    „Ich habe schon versucht, das zu erklären“, begann Ellen.
    „Also Mrs. Sturtevant“, unterbrach sie Ortega, „ich kann Ihnen versichern, daß wir vollstes Verständnis für Ihren Wunsch haben. Das ist eine völlig normale Reaktion für eine amerikanische Mutter, und wir freuen uns. daß Sie so um Ihr Kind besorgt sind. Leider wäre es aber nicht klug, wenn Sie Hazel auch nur einen kleinen Augenblick sehen würden.“
    Mrs. Sturtevant sah ihren Gatten hilfesuchend an. fand jedoch keine und fuhr fort: „Aber weshalb?“
    Keith runzelte die Stirn und legte die Hände mit den Fingerspitzen aneinander. „Tatsachen sind Tatsachen, meine Liebe“, sagte er langsam. „Wenn Sie Hazel behalten möchten, ist das Ihr gutes Recht. Sie sind aus freiem Willen zur Stiftung gekommen und haben inzwischen sicherlich ausreichend Nachforschungen über uns angestellt, um zu wissen, daß wir eine durch und durch zuverlässige Organisation sind. Wir sind der Ansicht, daß die unserer Pflege überantworteten Kinder ein Recht auf ein Eigenleben haben, und wir haben festgestellt, daß wiederholte Berührung mit den leiblichen Eltern das Kind nur belasten. Und Sie wollen doch, daß Hazel ein normales und glückliches Leben führt, nicht .wahr?“
    „Natürlich“, sagte der Mann. Ihm war es sichtlich völlig egal, was aus Klein-Hazel wurde.
    Keith lächelte. „Dann müssen Sie uns vertrauen“, sagte er. „Ich gebe Ihnen jedenfalls mein Ehrenwort, daß Hazel bei der Stiftung in guten Händen sein wird. Wenn Sie irgendwelche Zweifel haben sollten, schlage ich vor. daß Sie mit Ihrem Kind wieder nach Hause gehen und sich noch einmal besprechen. Sie müssen die Entscheidung treffen.“
    Die Eltern berieten sich im Flüsterton. Schließlich erklärte Mrs. Sturtevant: „Wir lassen Hazel bei Ihnen.“
    „Ausgezeichnet“, sagte Ortega. Er schüttelte ihnen erneut die
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