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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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Weiß. Indianerversteck. Mausefalle. Sachensucher.
    „Iggi! Iggi!“
    Er stolpert, taumelt, fällt hin. Das neue Spielzeug rutscht einen Abhang runter ins Dunkle. Yogi auf dem Bauch hinterher. Kiesgrube. Schlangenhöhle. Plumps.
    Yogi liegt ganz still. Die Hände zwischen kleinen Steinen. Pulverstaub.
    Yogi lauscht. Da quakt ein Frosch. Dort hinten tickt es, sein neues Rennauto.
    Yogi krabbelt hin. Er hat es wieder. Endlich. Es hat ihn gerufen. Er streichelt es. Lieb.
    Yogis Füße bluten. Die Haut über den Knöcheln ist aufgeplatzt. Er merkt es nicht. Mit jedem Schritt hinterlässt er eine Blutspur auf den hellen Steinen.
    Yogi kann Feuer riechen. Hier ist eins. Gar nicht weit.
    Yogi hat Feuer gern. Er reckt die Nase in die Luft und schnüffelt. Da. Es kommt aus der Richtung. Lagerfeuer. Grillplatz. Stockbrot. Würstchen.

74
    Die Tür zu Yogis Zimmer steht einen Spalt offen. Vera lugt hinein. Dann wirft sie sich dagegen. Waffe nach links. Nichts. Waffe nach rechts. Nichts. Rücken zur Wand.
    Wo sind unsichere Stellen? Wo lauert eine Gefahr? Hinter der Tür. Nichts. Hinterm Sessel. Nichts.
    „Johannes? Johannes Schmidtmüller, bist du hier?“
    Unterm Bett? Nichts. Aber da. Ihr Blick huscht darüber hinweg. Die Augen suchen jetzt nur Gefahrenquellen. Menschen. Doch ein wacher Teil in ihr, der sich nicht bedroht fühlt, registriert etwas. Eine Puppe. Achtlos aufs Bett geworfen. Ausgerenkte Arme und ein kahlrasierter Schädel. Die Haare liegen im Bett verstreut.
    Vera Bilewski nimmt die Puppe. Dort liegt auf dem Kissen die Kinderschere. Veras Verstand kombiniert in Bruchteilen von Sekunden eine Kette von Möglichkeiten. Sie hat das Bild vor Augen. Der hilflose Junge, der mit seinen nonverbalen Mitteln versucht, mitzuteilen was er weiß.
    Ein Skin. Also. Heißt das: Eine Glatze weiß etwas oder eine Glatze war der Täter? Oder wollte Yogi nur einfach seine Puppe seinem Bruder ähnlich machen?
    Vera stürmt in Siggis Zimmer. Die Treppe hoch in Renates. Sie weiß längst, dass sie allein im Haus ist, aber sie will gründlich sein. Wer ahnt schon, wo ein verängstigter Geistesgestörter sich versteckt? Hinter dem Duschvorhang? Auf dem Dachboden? Unter der Spüle?
    Vera arbeitet sich zum Telefon durch. Sie lässt sich jetzt ganz von ihren Instinkten leiten. Sie hat Schütz am Apparat. Ausgerechnet.
    „Alle verfügbaren Wagen zum Steinbruch.“
    „Ja, aber … was soll … Sind Sie überhaupt im Dienst?“
    „Labern Sie mir jetzt nicht die Ohren ab! Tun Sie einmal das Richtige! Alle Wagen zum Steinbruch, und holen Sie Kramer von seinem beschissenen Kegelabend!“
    Es ist nicht die Schärfe in ihrem Ton, es ist die Wortwahl, die Schütz tun lässt, was Vera Bilewski verlangt. Sie kann verletzend sein und austeilen. Oh ja. Aber sie hat eine feinere Sprache. Sehr bewusst grenzt sie sich sonst vom groben Ton der männlichen Kollegen ab.
    Vera wartet nicht auf eine Antwort. Sie legt auf.
    Schütz hat den Hörer noch am Ohr. Er legt langsam den Hörer auf die Gabel zurück. Er wundert sich. Eine feine Schweißschicht bildet sich zwischen Hals und Hemdkragen. Schütz wischt sie mit zwei Fingern weg.

75
    Sie umkreisen das Feuer. Breitbeinig, geduckt, mit halb zugekniffenen Augen. Der Wind drückt die Rauchfahne in Siggis Richtung. Siggi weicht dem Qualm aus.
    Da zischt der Hammer heran. Siggi brüllt auf. Der Schmerz in der linken Schulter droht für einen Moment, ihn ohnmächtig werden zu lassen. Aber dann fängt Siggi sich wieder. Vom Bauchnabel bis zu den Brustwarzen scheint sein Körper nur noch aus einem wild pochenden Herz zu bestehen.
    Siggi hält den Baseballschläger nur noch mit einer Hand. Die linke baumelt schlaff herab. Von der Schulter an ohne Kraft.
    „Überleg es dir, Siggi. Wenn wir zusammenhalten, kann uns keiner etwas. Keiner. Wir könnten Helden sein. Wir sind ganz kurz davor.“
    „Du Mörder! Ich bring dich um!“, brüllt Siggi. Er bemüht sich, Wolfs Worte zu ignorieren. Er will sich nicht wieder einwickeln lassen. Diesmal nicht.
    „Doitschland braucht uns. Wer, wenn nicht wir … Mensch, Siggi. Ichtenhagen wird die erste ausländerfreie Stadt Doitschlands. Die Hamburger haben jetzt Vertrauen zu uns. Der Staat kriegt das nie in den Griff. Die Politik der hundert kleinen Hitler. Das raffen die nicht. Du bist dabei. Mein wichtigster Mann. Du kannst die Ausbildung der Babies übernehmen …“
    Wolf redet immer weiter. Das kann er. So hat er meistens alle dazu gekriegt, ihm zu folgen. Sie haben so
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